Rebellin unter Feen
verhindern.«
»Das hattet Ihr also mit Linde vor«, sagte Klinge. »Und ich habe Euch daran gehindert.«
Die Königin nickte. »Ich habe die neuen Feen allerdings nur körperlich verändert. Ihren Verstand habe ich nicht angetastet. Vor allem aber habe ich ihnen einen kleinen Teil der Zauberkraft zurückgegeben, die ich mir von Jasmin geholt hatte.« Amaryllis blickte auf ihre Hände hinunter. »Ich weiß, es ist nur eine kleine Wiedergutmachung eines großen Unrechts, aber mehr konnte ich nicht tun, ohne die ganze Eiche zu gefährden.«
Jetzt verstand Klinge endlich, was die alte Bryony in ihrem Brief mit der Formulierung gemeint hatte, Königin Amaryllis habe alles in ihrer Macht Stehende getan, um den Feen zu helfen. »Ich habe vorschnell geurteilt, Majestät«, sagte sie. »Ich bitte Euch um Verzeihung.«
»Das will ich hoffen«, sagte Amaryllis in plötzlicher Empörung. »Du hast mir wirklich Unrecht getan.« Sie trat auf Klinge zu und musterte sie. »Als du mich mit Linde gesehen und anschließend vor dem Fuchs gerettet hast, glaubte ich, deine Treue zu mir habe über deine Zweifel gesiegt und ich könnte dir vertrauen. Als du mir dann von deinem Vorhaben erzähltest, die Eiche zu verlassen und nach anderen Feen zu suchen, freute ich mich, dass mein Vertrauen in dich so schöne Früchte trug … Doch nun muss ich feststellen, dass du mich die ganze Zeit über getäuscht hast.«
Sie packte Klinge am Kinn und zwang sie, ihr in die Augen zu sehen. »Bildest du dir ein, ich merke nicht, dass du mit einem Menschen zusammen warst? Alles an dir riecht nach ihm. Und glaubst du, der Zustand deiner Flügel sei mir entgangen?« Sie musterte Klinge anklagend. »Du hast dich selbst und die Eiche in Gefahr gebracht, und du kannst mir nicht mehr als Jägerin dienen. Nur um deine Neugier zu befriedigen, hast du dich gegen meine Gebote aufgelehnt und mich bei jeder Gelegenheit getäuscht. Jetzt hast du mir auch noch die letzte Hoffnung genommen, die ich für die Rettung unseres Volkes hatte. Wie kannst du es wagen,hierher zu kommen und mit deinen Entdeckungen zu prahlen, wenn zugleich ich und deine Schwestern den Preis dafür zahlen müssen?«
»Majestät«, protestierte Klinge verzweifelt, »Ihr versteht nicht …«
Sie brach erschrocken ab. Amaryllis hatte ihre beiden Hände in einer ausholenden Bewegung nach unten geschlagen. Um die Königin und Klinge loderte eine weiße Feuerwand auf. »Ich habe dir die Wahrheit gesagt«, sagte die Königin kalt. Das Feuer spiegelte sich in ihren Augen. »Es ist an der Zeit, dass du dich dafür revanchierst.«
Klinge wollte zurückweichen, aber ihre Füße waren wie am Boden festgenagelt, und ihre Hände hingen bleiern nach unten. »Gebt mich frei!«, flehte sie. »Ich werde Eure Fragen beantworten. Fragt, was ihr wollt!«
»Ich traue deinen Worten nicht«, erwiderte Amaryllis. »Und ich bin des Redens überdrüssig. Du hast die Wahl, Klinge. Wenn du mir bereitwillig deine Erinnerungen an die Menschen zur Verfügung stellst, sehe ich mir nur diese Erinnerungen an und sonst nichts. Wenn du mich dagegen zwingst, alle deine Gedanken zu durchsuchen …«
»Nein«, rief Klinge rasch. »Das ist nicht notwendig.«
Sie schloss die Augen und sah die Nachbilder der Flammen. »Ich gebe Euch, was Ihr wollt.«
Kalte Fingerspitzen berührten ihre Schläfen. Klinge erstarrte, doch sie spürte keine Schmerzen, nur ein leichtes, prüfendes Tasten, und dann …
Paul, wie er die Eiche hinaufklettert und ihr sein kindlich staunendes Gesicht zuwendet … Seine eifrige Stimme, als er ihr seine Bilder erklärt, und die sicheren Handbewegungen, mit denen er sie zum ersten Mal zeichnet … Seine vor Wut angespannten Muskeln, als er das Fotoalbum auf den Boden schleudert, und seine schlaffen Glieder, als Klinge ihn aus dem Teich zieht … Seine Freundschaft, seine Großzügigkeit, seine Bereitschaft, ihr zu helfen … Seine Vorfreude über die Fahrt nach Waverley, seine Enttäuschung, als sie sich von ihm verabschiedet, und dann …
Amaryllis zog ihre Finger zurück, und die Flammen um sie erloschen. Betäubt von der Flut der auf sie einstürmenden Erinnerungen hob Klinge den Kopf und blickte in das entsetzte Gesicht der Königin.
»Ich weiß«, sagte sie. Auf den Lippen spürte sie noch die Erinnerung an Pauls Kuss. Verlegen presste sie sie aufeinander. »Aber Ihr habt gehört, was ich zu ihm gesagt habe – es ist vorbei. Wir werden uns nicht mehr sehen.«
Amaryllis antwortete nicht. Sie
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