Rebellion Der Engel
Leben als Mensch hinter euch habt, ehe ihr eure Wandlung und Wiedergeburt erfahrt, wurden wir als Engel erschaffen.« Ich ersparte es mir, einzuwenden, dass es für den ein oder anderen ein reichlich kurzes Menschenleben war, und ließ ihn ohne Unterbrechung fortfahren. »Wesen, die von Grund auf gut und rein waren. Doch über die Äonen haben sich einige verändert. Man könnte meinen, dass das nur die beträfe, die nun als gefallene Engel Luzifer dienen, doch dem ist mitnichten so. Die Gefallenen waren es, die ihren Gefühlen Ausdruck verliehen und dazu standen, bereit, den Preisdafür zu bezahlen und den Himmel zu verlassen – wenn auch nicht ganz freiwillig. Es sind die anderen, die ich für weitaus schlimmer halte. Jene, die noch immer unter uns im Himmel leben. Sie haben sich von der Macht ihrer Existenz verführen lassen und sind arrogant geworden.«
»So arrogant, dass sie selbst euch Schutzengel verachten.«
»Damit kann ich leben.« Er wirkte tatsächlich, als hätte er sich damit abgefunden. »Was es mir schwer macht, diese Typen zu akzeptieren, ist die Tatsache, dass sie die Schöpfung des Chefs ablehnen. Für sie sind die Menschen nicht mehr als ein Hobby, das sie belächeln, verachten oder hinter vorgehaltener Hand mit Spott überziehen.«
»So, wie ich jemanden auslachen würde, der gehäkelte Deckchen sammelt.«
Da war es wieder, dieses Grinsen! Plötzlich kam ich mir schrecklich einsam vor, mit all den Neuigkeiten, die ich zu verdauen hatte. Ich neigte dazu, Dinge mit mir selbst auszumachen, anstatt meine Probleme zu anderen zu tragen – jetzt jedoch wünschte ich mir eine Schulter, an die ich mich anlehnen konnte. Jemanden, der mich auffing und mir versicherte, dass alles gut werden würde. Da ich schlecht zu einem Engel gehen und ihn bitten konnte, mich festzuhalten, bis ich wieder Bodenhaftung hatte, blieb ich vor dem Fenster stehen, schlang die Arme um den Oberkörper und starrte in die Nacht hinaus. Nach und nach weichte die Finsternis hinter der Scheibe auf. Konturen wurden schärfer und Farben deutlicher, bis es kaum dunkler war als an einem wolkenverhangenen Tag.
Ich starrte noch immer auf die Linie der Wolkenkratzer, als ich eine Berührung in meinem Rücken spürte. Akashiel war hinter mich getreten, so leise, dass mir nicht einmal aufgefallen war, dass er sich bewegt hatte.
»Wie fühlst du dich?« Sein Mund war dicht nebenmeinem Ohr, nah genug, um mich die Frage unter dem Atem vergessen zu lassen, der warm über die Seite meines Halses strich.
»Okay«, presste ich hervor und vergaß jedes weitere Wort, als er seine Hände auf meine Schultern legte. Seine Handflächen strahlten eine Wärme ab, die mir durch und durch ging. Ich lehnte mich zurück. Nicht viel, gerade weit genug, um seine Körperwärme auch an meinem Rücken zu spüren. Schlagartig fühlte ich mich nicht mehr so allein.
»Ich habe dir heute viel zugemutet«, sagte er leise. »Das tut mir leid. Ich hätte es gern vermieden.«
»Ich schätze, in meiner Situation ist es nicht möglich, Informationen in leicht verdaulichen Häppchen serviert zu bekommen.«
»Nicht, wenn du genug wissen sollst, um dich nicht in Gefahr zu bringen.«
Es war ja nun wirklich nicht so, dass ich die Gefahr gesucht hatte – vielmehr hatte sie mich, ganz ohne mein Zutun, gefunden.
Seine Fingerspitzen strichen sanft über meine Schultern. »Du solltest dich jetzt wirklich ausruhen, Schneewittchen.«
»Warum nennst du mich so?«
»Du siehst aus, als hättest du Disney Modell gestanden.«
Was erwiderte man, wenn einem ein Engel ein Kompliment machte? Ich entschied mich für: »Deine Ähnlichkeit mit Harvey ist nicht ganz so groß«, und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen, kaum dass die Worte meinen Mund verlassen hatten.
Akashiel lachte stumm in sich hinein. Ich spürte es mehr am Beben seines Brustkorbs und der Bewegung seiner Hände, als dass ich es hörte. »Nein, ich werde die Rolle als weißes Kaninchen wohl nicht bekommen.«
Daraufhin mussten wir beide lachen.
*
Schließlich gelang es Akashiel doch noch, mich dazu zu überreden, schlafen zu gehen. Vermutlich hätte ohnehin nicht mehr viel gefehlt und ich wäre tatsächlich im Stehen eingeschlafen. Er bestand darauf, dass ich in seinem Bett schlief und er die Wohnzimmercouch nahm. Auch wenn ich gern widersprochen hätte, war ich einfach zu müde, um mich auf eine lange Diskussion einzulassen. Nicht einmal fünfzehn Minuten, nachdem ich ihn als Harvey-Double
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