Rebellion Der Engel
sie unvoreingenommen an die Sache herangegangen und hatte sowohl ihrer Neugierde als auch einer gesunden Skepsis Raum gelassen.
Sie so dicht an der Balkonbrüstung stehen zu sehen, hatte ihn erschreckt. Einen endlos scheinenden Moment lang hatte er befürchtet, ihr zu viel zugemutet zu haben. Zu seiner Erleichterung hatte er schnell herausgefunden, dass sie zwar mutig und neugierig, aber nicht lebensmüde war. Mit ihr zu fliegen, war einfach wunderbar gewesen. Er hatte es genossen, ihr so nah zu sein und zu spüren, wie viel Vertrauen sie ihm entgegenbrachte.
Als sie sich in seinen Armen zu regen begann, rückte er ein Stück von ihr ab. Sie gab ein unverständliches Murmeln von sich, schlug die Augen auf und blinzelte gegen das Tageslicht an, das zum Fenster hereinfiel.
Sehr vorsichtig, fast schon schüchtern, wandte sie den Kopf und sah Akashiel an. »Auf einer Skala von eins bis zehn – wie peinlich habe ich mich gestern benommen?«
»Minus fünf«, sagte er. »Was den Unterhaltungswert angeht, gebe ich dir allerdings eine Zwölf.«
»Das macht einen Schnitt von sieben, was reichlich peinlich bedeutet.«
»Rachel«, er stützte sich auf den Ellbogen, um sie besser ansehen zu können. »Letzte Nacht wurde alles, was du bisher über dein Leben zu wissen glaubtest, auf den Kopf gestellt. Du hast Fragen gestellt und versucht herauszufinden, was diese Veränderungen für dich und deine Zukunft bedeuten.Daran ist nichts, aber auch gar nichts, was dir auch nur im Mindesten unangenehm oder gar peinlich sein müsste.«
»Ich habe da ein paar Fragen gestellt …«
»… die durchaus geklärt werden mussten.«
Sie sah ihn lange an, als versuche sie herauszufinden, ob es ihm ernst war oder ob er sie aufzog. Schließlich seufzte sie. »Wie geht es jetzt weiter?«
»Mit uns?«
»Mit allem.«
»Ich würde vorschlagen, du gehst ins Bad, während ich uns Frühstück mache, und dann können wir uns in aller Ruhe darüber unterhalten.«
Sie war so schnell durch die Tür im angrenzenden Badezimmer verschwunden, dass Akashiel sich fragte, ob Schnelligkeit eine ihrer besonderen Fähigkeiten sein könnte, doch es war wohl eher der Wunsch, weiteren unangenehmen Momenten zu entfliehen, der ihr Beine gemacht hatte.
Akashiel tauschte rasch die Pyjamahose gegen ein Paar verwaschene Bluejeans und streifte sich ein weißes T-Shirt über, dann ging er in die Küche und setzte Milch für die Schokolade auf. Da er nicht wusste, was Rachel zum Frühstück mochte, stellte er alles auf den Tresen, was der Kühlschrank und die Speisekammer hergaben – vom Müsli über Toastbrot, Marmelade, Erdnussbutter, Wurst und Käse bis hin zu Keksen und Obst.
Als Rachel hereinkam, blieb ihr Blick sofort am Tresen hängen. »Hast du einen Supermarkt überfallen?«
»Ich wusste nicht, was du magst.«
Sie deutete auf die Tasse, in der die heiße Schokolade dampfte. »Ich fange damit an und arbeite mich dann langsam durch das Angebot.«
Akashiel rückte ihr einen der hohen Stühle zurecht und ließ sich neben ihr nieder. Sie aßen Müsli und Toast, Racheltrank ihre Schokolade, während Akashiel nach der ersten Tasse lieber auf Kaffee umstieg, und sie sprachen nur wenig. Es war eine angenehme Stille, ein Schweigen, wie man es nur mit jemandem teilen konnte, in dessen Nähe man sich uneingeschränkt wohlfühlte.
Nachdem sie gegessen hatten, half Rachel ihm, das Geschirr und das übrige Essen wegzuräumen, ehe sie ins Wohnzimmer hinübergingen und sich auf die Couch setzten.
»Musst du nicht arbeiten?«, wollte Rachel wissen. »Ich will dich nicht von etwas Wichtigem abhalten.«
»Keine Bange, das tust du nicht. Wir beide werden jetzt arbeiten.«
»Willst du mich zu deinem Gehilfen machen?«
»Du musst lernen, deine Signatur zu verbergen«, sagte er. »Sonst wird dich jeder Engel und jeder Gefallene, der dich auch nur einmal berührt hat, immer und überall finden.«
»Das geistige Muster?«
Er nickte. »Damit du geschützt bist, werde ich dir als Erstes beibringen, wie du deinen Geist verschließen kannst. Mach die Augen zu.«
Sie folgte seiner Aufforderung. Bevor er jedoch erste Anweisungen geben konnte, öffnete sie sie wieder ein Stück und spähte unter den Lidern hervor. »Was ist der nächste Schritt, wenn ich das gelernt habe?«
»Dann wirst du lernen, wie du einzelne Personen zulassen oder aussperren kannst.«
Jetzt öffnete sie die Augen ganz. »Heißt das, wenn ich meinen Geist verschließen kann, bist auch du nicht mehr in der
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