Rebellion Der Engel
meinem merkwürdigen Erlebnis mit Popcorn zu erzählen. »Danke fürs Einkaufen und den ganzen Rest.«
»Kein Problem. Der Inhalt deines Kühlschranks kam mir praktisch entgegengelaufen, als ich nachsehen wollte, ob du was brauchst«, meinte sie trocken. »Ich musste ihm nur noch den Weg zum Mülleimer zeigen.«
Ihr Seitenhieb entlockte mir ein Lächeln. Auch wenn wir sonst fast immer einer Meinung waren, in Sachen Lebensmittel hätten wir kaum unterschiedlicher sein können. Während ich keine Schwierigkeiten damit hatte, einen Joghurt auch eine Woche nach Ablauf des Verfallsdatums noch zu essen, behauptete Amber bereits drei Tage vorher, die Kulturen wären mittlerweile lebendig und würden sie vermutlich beobachten. Seit wir das verdorbene Sushi gegessen hatten, ging sie allem aus dem Weg, was nicht frisch war. Ich musste zugeben, dass es sie damals auch wesentlich schlimmer erwischt hatte als mich. Während es mir nach einer Woche bereits gut gegangen war und ich wieder problemlos alles essen konnte, hatte Amber sogar drei Wochen danach noch mit ständiger Übelkeit zu kämpfen gehabt. Ich schätze, so etwas vergisst man nicht so schnell.
»Wenn du im Laden in letzter Zeit Hilferufe gehört hast, könnten die von dem Apfel gekommen sein, der noch in meiner Schreibtischschublade liegt.«
»Der wurde bereits erlöst, zusammen mit der halben Zimtschnecke.«
»Da war noch eine Zimtschnecke? Die war dann schon ein paar … äh … Tage älter.« Ich machte ein würgendes Geräusch.
»Irgendwann wirst du dich vergiften.«
»Nur, wenn ich mich vorher nicht auf anderem Weg umbringe.«
Es war als Scherz gedacht, doch die lockere Stimmung, die gerade noch in der Luft gelegen hatte, verpuffte schlagartig, kaum dass ich die Worte ausgesprochen hatte.
»Das ist nicht witzig, Rachel.«
»Glaub mir, das weiß ich.« Obwohl ich keine Schmerzen mehr hatte und nur von Zeit zu Zeit ein leichtes Ziehen der Operationsnarbe zu spüren glaubte, konnte ich nicht vergessen, was passiert war. Es war nicht der Unfall selbst, der sich so in mein Gedächtnis gefressen hatte, nicht einmal der Fremde, von dem ich immer noch überzeugt war, dass er tatsächlich da gewesen war. Was mich verfolgte, waren die Bilder, wie ich an der Unfallstelle umherirrte und niemand mich sah oder hörte. Ganz besonders hatte sich der Moment in meiner Erinnerung festgesetzt, in dem ich mich selbst auf dem Boden hatte liegen sehen. Tot! Ich sagte mir, dass es nur ein Traum gewesen war. Nichts davon war wirklich passiert. Trotzdem schienen die Bilder unglaublich real – und im Vergleich zu einem Traum verblassten sie auch nicht, sondern waren noch immer in derselben Intensität präsent. Ganz zu schweigen davon, dass ich mir immer noch Vorwürfe machte, dass ich nicht nur mich beinahe umgebracht hätte. Alles nur wegen einer Einbildung.
»Ich rufe eigentlich aus einem ganz anderen Grund an«, sagte sie und verscheuchte meine finsteren Gedanken. »Genau genommen aus zwei Gründen.«
»Schieß los.«
»Also, zum einen wollte ich vorschlagen, dass du morgen noch zu Hause bleibst und dir einen schönen Tag machst. Genieß das Wochenende und komm erst Montag wieder in die Arbeit!«
Unter anderen Umständen hätte ich mich wahrscheinlich mehr über die Aussicht auf ein freies Wochenende gefreut. Aber in Anbetracht des sprechenden Katers war ich mirnicht so sicher, ob ich an den freien Tagen viel Spaß haben würde. Andererseits wusste ich nicht, wie sich mein Zustand auf meine Arbeit auswirken würde. Am Ende würde ich mich noch mit den Weberknechten im Lagerraum unterhalten – oder mit Schnuffel, dem rosa eingefärbten Pudel einer unserer Stammkundinnen.
Die letzten Stunden waren ganz gut verlaufen und wer weiß, womöglich gehörte meine Unterhaltung mit Popcorn am Montag bereits der Vergangenheit an. Das Ganze war sicher nur eine vorübergehende Erscheinung. Deshalb stimmte ich zu.
»Sehr schön!«
Dafür, dass ich gerade zugesagt hatte, Amber einen weiteren Tag die ganze Arbeit allein machen zu lassen, klang sie erstaunlich aufgekratzt. »Was ist der zweite Grund?«, wollte ich wissen.
»Das wirst du nicht glauben!«, rief sie in den Hörer.
»Hast du den Jackpot geknackt?«
Ich konnte förmlich hören, wie ihr Grinsen breiter wurde. »Ich habe jemanden kennengelernt«, platzte sie heraus und sprach, ohne Luft zu holen, weiter: »Sein Name ist Nate, er ist mit seiner Schwester vor ein paar Wochen nach Ruby Falls gezogen und ich möchte ihn dir
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