Rebellion Der Engel
unappetitliche Detail.«
»Aber erst einmal bin ich dran.« Steve schob ihn zur Seite. Einen Moment lang sah er mich nur an, musterte mich mit seinen braunen Augen von oben bis unten, als wolle ersichergehen, dass noch alles dran war. Bis letzten Sommer waren Steve und ich ein Paar gewesen. Ein Jahr hatte unsere Beziehung gehalten, bis mir klar geworden war, dass es mit uns auf Dauer nicht funktionieren würde. Er war ein toller Kerl, einer von diesen Menschen, die man gern um sich hatte und die einen zum Lachen brachten. Unglücklicherweise war genau das der Grund, warum unsere Beziehung nicht funktioniert hat: Wenn ich über Dinge reden wollte, die mich beschäftigten, riss er Witze! Ich wusste, dass er nur versuchte, mich aufzuheitern. Das war ja gut gemeint, aber wenn ich über etwas zu reden versuchte, das mir wichtig war, wollte ich nicht lachen. Es kostete jedes Mal unendliche Mühe, ihn dazu zu bringen, keine Witze zu reißen – häufig gelang es mir gar nicht. Und mit jedem Mal wurde es anstrengender, bis ich eines Tages nicht mehr den Nerv hatte, ihn anzuflehen, wenigstens ein Mal ernst zu bleiben.
Damit, dass ich mich von ihm trennte, verletzte ich ihn tief und zum ersten Mal bekam ich den Steve zu sehen, den ich mir während unserer Beziehung gewünscht hatte. Aber es war zu spät. Für mich gab es kein Zurück mehr, auch wenn er alles getan hatte, um mich davon zu überzeugen, es noch einmal zu versuchen.
Die darauf folgenden Monate waren nicht einfach. Dass er das Café führte, das zu unserem Buchladen gehörte, und wir uns dort täglich über den Weg liefen, machte es nicht leichter. Doch seit unserer Trennung war mittlerweile ein Dreivierteljahr vergangen und allmählich normalisierten sich die Dinge zwischen uns. Wir konnten wieder Freunde sein – zumindest hoffte ich das, denn seine Freundschaft fehlte mir. Als er jetzt vor mir stand und mich so eingehend musterte, fragte ich mich plötzlich, ob ich ihm womöglich unrecht tat und er eine zweite Chance verdient hatte. Aber es war schon einmal schiefgegangen und es hatte langegedauert, bis wir wieder einigermaßen normal miteinander umgehen konnten – falls es noch einmal schiefging, würde er vielleicht nicht mehr darüber hinwegkommen. Oder ich. Es war besser, alles so zu lassen, wie es war.
»Du siehst gut aus«, sagte er und blies sich eine seiner blonden Haarsträhnen aus der Stirn. »Fühlst du dich auch so?«
Ich nickte. »Die OP-Narbe zieht manchmal noch ein bisschen, aber ansonsten ist alles wieder in Ordnung.«
Ich wartete darauf, dass er einen Witz machen würde, irgendeinen Kalauer über Ärzte oder Frauen am Steuer, doch er zog mich nur vorsichtig an sich. »Ich bin froh, dass du lebst.« Sein Atem strich warm und vertraut über mein Ohr und jagte mir einen angenehmen Schauder über den Rücken. »Ich wollte dich besuchen, aber ich wusste nicht, ob du mich sehen willst.«
Ich löste mich aus seiner Umarmung, trat einen Schritt zurück und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Steve, wir sind Freunde. Ich freue mich immer, dich zu sehen.«
Anstatt einer Erwiderung umarmte er mich noch einmal, bevor er mich freigab. Als ich mich zum Tisch herumdrehte, stand sofort Amber wieder vor mir, einen Mann mit blonden Locken im Schlepptau.
»Rachel, das ist Nate Spencer«, stellte sie mir ihren neuen Freund vor. »Nate, du weißt ja schon alles über Rachel. Das ist sie!«
Ein wissendes Lächeln spielte um Nates Mund, sodass ich mich unwillkürlich fragte, was Amber ihm alles über mich erzählt hatte, doch die Wärme in seinen dunklen Augen ließ mich die Frage vergessen. Ich verstand sofort, was Amber an ihm faszinierte. Blonde Locken, warme braune Augen, ein strahlendes Lächeln, das seine ebenmäßigen Zähne zeigte – der Kerl sah aus, als sei er einem Katalogfür Surferboys entstiegen. Wenn er nur halb so nett war, wie Amber behauptete, war er tatsächlich perfekt oder wenigstens verdammt nah dran.
Nate schüttelte meine Hand. »Amber hat natürlich nur Gutes über dich erzählt.« Mit einem Zwinkern fügte er hinzu: »Zumindest sagte sie, dass ich das so sagen soll.«
»Nate!« Amber stieß ihn in die Seite. »Elender Verräter. – Lea, komm her.« Sie winkte die junge Frau zu uns, die hinter ihnen stehen geblieben war. Rein äußerlich war sie das komplette Gegenteil ihres Bruders. Während er kaum größer war als Amber, überragte sie uns um einen halben Kopf. Ihr raspelkurzes braunes Haar betonte das fein geschnittene
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