Rebellion Der Engel
Gesicht und ließ ihre grünen Augen strahlen. Sie war schlank und wirkte so zerbrechlich wie eine Elfe, ein Eindruck, den der schmale Schnitt ihrer Hose und das lange, eng anliegende Oberteil noch verstärkten.
»Hi, ich bin Lea«, stellte sie sich selbst vor. »Der ungehobelte Klotz ist mein Bruder, aber das weißt du sicher schon.«
»Schön, dich kennenzulernen.« Ich schüttelte auch Lea die Hand, folgte ihr und den anderen an den Tisch und setzte mich neben Amber. »Wo ist der Rest?«, fragte ich sie.
»Marc besucht seine Eltern, Sandra und Paul sind übers Wochenende zum Camping gefahren und Jenny hat es geschafft, sich eine Grippe einzufangen.«
Es war schon bei langfristiger Planung schwierig, all unsere Freunde an einem Termin zusammenzubringen. Nachdem Ambers Idee mit dem Abendessen eher ein spontaner Einfall gewesen war, wunderte es mich nicht, dass die anderen bereits Pläne für den Sonntag gehabt hatten. Natürlich hätte ich mich gefreut, sie alle zu sehen, doch dazu würde ich in den nächsten Tagen sicher noch Gelegenheit haben.
Wir saßen keine zwei Minuten, da kam Sebastiano schon an den Tisch. Ich bestellte ein Glas Chianti und eineFlasche Wasser und begann in der Speisekarte zu blättern. An sich wäre das nicht nötig gewesen, denn ich wusste längst, was ich essen wollte. Seit wir uns jedoch gesetzt hatten, wurde ich das Gefühl nicht los, dass alle mich anstarrten. Während Pat mich offen ansah und vermutlich jeden Moment mit seinen Fragen herausplatzen würde, musterten Steve und Lea mich mit verstohlenen Blicken.
Für gewöhnlich störte mich die Aufmerksamkeit anderer nicht, ich erzählte gern von meinen Erlebnissen: Urlauben, Wochenendausflügen, meinetwegen auch größeren oder kleineren Katastrophen in der Arbeit. All das machte mir nichts aus. Nur über den Unfall wollte ich nicht reden.
Amber und Nate hielten die Unterhaltung in Gang. Ich war jedoch so sehr darauf konzentriert, die auf mich gerichteten Blicke zu ignorieren, dass ich davon kaum etwas mitbekam.
Sebastiano kam mit den Getränken und nahm unsere Bestellungen auf – ich hatte mich für Spaghetti mit Meeresfrüchten entschieden. Bevor er den Tisch verließ, sammelte er die Speisekarten ein und nahm mir damit meine Versteckmöglichkeit. Ich nippte an meinem Wein und warf einen Blick über den Tisch. Steve, der mir gegenübersaß, sah mich immer noch an. Je schneller ich es hinter mich brachte, desto eher konnten wir den Unfall zu den Akten legen und zur Tagesordnung übergehen. Und ich konnte endlich aufhören, mich unwohl zu fühlen.
»Du bist so still«, bemerkte Steve. »Geht es dir wirklich gut?«
»Ich habe gehört, du hattest einen Unfall«, ergänzte Lea, bevor ich antworten konnte. »Was ist passiert?«
Mir war klar, dass ich nicht erzählen konnte, was meiner Meinung nach wirklich passiert war, das würde mir keiner glauben, deshalb sagte ich: »Ich war abgelenkt, habe dieKontrolle über den Wagen verloren und ihn in den Graben gesetzt.«
»In den Graben gesetzt?«, echote Pat. »Das ist ja wohl die Untertreibung des Jahres. Überschlagen habt ihr euch. Wie oft? Zwölf Mal?«
»Drei Mal«, korrigierte Amber.
Es fiel mir schon schwer genug, generell über diesen verflixten Unfall zu sprechen, auch ohne dass sie jedes Detail ausgraben mussten. Wenn auch nur ein einziges Mal ein Wort wie Reanimation oder Wiederbelebung fiel, würde ich aufstehen und gehen. Ich wusste nicht, warum ich so dünnhäutig auf alles reagierte, was mit dem Unfall zusammenhing. Vielleicht lag es daran, dass mir die Erinnerung immer wieder aufs Neue vor Augen führte, wie viel Glück ich gehabt hatte und wie knapp ich dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen war. Womöglich lag es auch daran, dass ich das Gefühl nicht los wurde, dass die Sache für mich noch nicht ausgestanden war. Immerhin litt ich unter Wahnvorstellungen. Oder fiel ein sprechender Kater eher in die Kategorie Halluzinationen? Wie auch immer, ich würde wohl noch einige Untersuchungen über mich ergehen lassen müssen.
»O mein Gott!«, rief Lea ehrlich entsetzt. »Das ist ja schrecklich.«
Nate hielt Ambers Hand, an der sie wochenlang die Gipsschiene getragen hatte, und betrachtete sie nachdenklich, ehe er seine Augen auf mich richtete. »Ihr hattet wirklich großes Glück, dass ihr so glimpflich davongekommen seid.«
»Der Doc nannte es ein Wunder und meinte, mein Schutzengel hätte Überstunden gemacht.« Vielleicht würde Sarkasmus helfen, dieses
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