Rebellion Der Engel
Gespräch unbeschadet zu überstehen. »Ich weiß allerdings nicht, ob sie das dürfen – Überstunden machen, meine ich. Es gibt sicher irgendeinehimmlische Gewerkschaft, die das verbietet. So gesehen war es wohl wirklich nur schnödes Glück.«
Nate sah mich so lange aus seinen dunklen Augen an, bis ich um ein Haar angefangen hätte, unruhig auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. »Du glaubst nicht an Engel?«
»Wenn es sie gäbe, wären sie ein ziemlich faules Pack.«
Lea, die gerade von ihrem Wein trank, verschluckte sich und hätte ihn beinahe ausgespuckt, als sie zu lachen begann. Halb hustend, halb kichernd stellte sie das Glas auf den Tisch zurück und tupfte sich die Mundwinkel mit ihrer Serviette ab. »Was bringt dich denn zu der Ansicht?«
Ich zuckte die Schultern. »Schau dich doch um. Überall geschehen scheußliche Dinge. Wäre es nicht Aufgabe der Schutzengel, da einzugreifen? Nachdem ich sie nirgendwo sehen kann, existieren sie entweder nicht oder aber sie hocken faul auf einer Wolke und sehen uns zu, wie wir uns Tag für Tag abplagen.« Mit den scheußlichen Dingen meinte ich nicht einmal so was wie Kriege oder Hungersnöte – es ging schon im Kleinen los: Männer, die ihre Frauen und Kinder schlugen, Krankheiten oder Unfälle. Bei der Erinnerung an meinen Vater fügte ich der Liste noch Gleichgültigkeit und Einsamkeit hinzu.
Lachend hob Pat sein Glas. »Lasst uns auf die Engel trinken, die auf Wolken dahinschippern und sich ihre tägliche Seifenoper mit dem Titel Die Dummköpfe von der Erde reinziehen!«
Darauf stießen wir an.
Nachdem Nate das Gespräch auf Engel gelenkt hatte, schien das Thema Unfall abgehandelt zu sein und ich begann mich zu entspannen. Um nicht doch noch zur Zielscheibe für weitere Fragen zu werden, wandte ich mich an Lea und Nate. »Was hat euch beide nach Ruby Falls verschlagen?«
Nate deutete mit einem Seufzer auf seine Schwester. »Das ist ihre Schuld. Ich wollte ihr den Umzug hierher wirklich auf ewig übel nehmen.«
»Dieses auf ewig hat genau so lange gedauert, bis er Amber getroffen hat«, grinste Lea. »Zwei Tage, nachdem wir hierhergezogen waren.«
Nates Blick war auf Amber gerichtet. »Manchmal gibt es eben doch ein Happy End.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er wieder mich ansah. »Lea wollte schon immer raus aus der Stadt. Wir arbeiten beide in Redmond, und auch wenn Ruby Falls weiter entfernt ist als Seattle, ist die Fahrtzeit kürzer, weil wir uns den Großstadtstau sparen.«
Jill, der schon die fünf Minuten Fahrtweg zum Buchladen auf die Nerven gingen, schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum seid ihr nicht nach Redmond oder zumindest in einen der Nachbarorte gezogen?«
Nate lachte. »Glaub mir, ich habe versucht, sie davon zu überzeugen, aber Lea wollte unbedingt an die Küste.«
»Ich habe Ruby Falls bei einem Ausflug entdeckt und mich sofort in den Ort verliebt. Nate hatte gar keine andere Chance, als mit mir hier her zuziehen.«
Ich war ein Einzelkind, doch wenn ich Geschwister hätte, bezweifelte ich, dass ich mit ihnen hätte zusammenwohnen wollen, nachdem ich von zu Hause ausgezogen war. Geschwister, die derart eng aneinander hingen, waren mir unheimlich – mit Nate und Lea schien jedoch alles in Ordnung zu sein. Dass Nate Amber mehr Aufmerksamkeit schenkte als seiner Schwester, wertete ich zumindest als ein gutes Zeichen.
»Wie habt ihr euch kennengelernt?«, stellte ich Amber die Frage, deren Antwort mich interessierte, seit sie mir von ihrem Fang erzählt hatte.
»Ich war Futter für Popcorn kaufen«, erzählte sie. »DieTüte ist mir aus der Hand gerutscht und Nate auf die Füße gefallen.«
»Seitdem trage ich Sicherheitsschuhe«, grinste Nate. »Abgesehen davon hat es mich wohl auf die Liste der unbeliebtesten Kunden in Matt’s Café gebracht.«
Pat zog eine Augenbraue in die Höhe. »Wie das?«
»Ich habe dort jeden Abend stundenlang darauf gewartet, dass Amber nach Hause kam, um mit ihr einen Kaffee zu trinken. Matt musste uns jedes Mal rauswerfen, damit er endlich Feierabend machen konnte.«
Der Mann sah gut aus, hatte Humor, machte einen sympathischen Eindruck und war obendrein noch geduldig – kein Wunder, dass Amber ihn gern hatte. Während Nate den anderen sein Leid klagte, wie viel Kaffee er in diesen Wochen getrunken und wie ihn das viele Koffein um den Schlaf gebracht hatte, beugte ich mich zu Amber hinüber.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich so leise, dass nur sie mich hören konnte. »Er ist
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