Rebellion Der Engel
des Friedhofs, ehe ich das Sichtfeld der Maskierten verließ und auf der anderen Seite den Abhang hinunterstürmte. Mit ein wenig Glück hatten sie es gefressen und gingen davon aus, dass ich zum Friedhof wollte. Was ich nicht vorhatte. Kaum waren meine Verfolger außer Sicht, schlug ich einen erneuten Haken und lief einen Bogen, der mich am Fuß des Hügels vorbeiführte, fort vom Friedhof. Nach einem kurzen Stück über die freie Grünfläche tauchte ich in den Schutz einer Gruppe Kiefern ein und suchte mir meinen Weg durch die darunter liegenden Schatten. Ein gedämpftes Plätschern drang an mein Ohr. Der Bach! Wenn es mir gelang, die Brücke zu erreichen, die am hinteren Ende des Parks über den Bach führte, konnte ich mich darunter verstecken!
Als ich mich dem Bach näherte, verwarf ich den Plan sofort wieder. Die Brücke zeichnete sich hell gegen das Mondlicht ab und die tiefen Schatten darunter hätten jeden Verfolger sofort auf die Idee gebracht, dass sich seine Beute dort unten verstecken könnte. Jeder würde dort nachsehen. Ich lief über die Brücke und schlug mich auf der anderen Seite wieder in die Büsche. In meinem Rücken glaubte ich Stimmen zu hören, konnte jedoch niemanden sehen. Ich kam an einem Loch im Boden vorbei, das der Stumpf eines gefällten Baumes hinterlassen hatte, und ließ auch das als zu offensichtliches Versteck hinter mir. Dann fand ich inmitten einer Gruppe von Ahornbäumen eine Mulde. Eigentlich fand die Mulde mich. Sie lag im Schatten der Bäume verborgen, sodass ich nicht sah, wie der Boden plötzlich unter meinen Füßen verschwand. Ich stolperte und fiel mit dem Gesicht voraus in den Dreck. Aber das Versteck war perfekt. Zumindest würde ich wohl auf die Schnelle kein besseres finden. Ich zog die Beine an, schlang die Arme darum und machte mich so klein wie möglich. Jeder Muskel tat mir weh und die unbequeme Haltung machte es nicht besser, trotzdem harrte ich aus. Mir war heiß und kalt zugleich. Dass ich zitterte, lag jedoch nicht an der Kälte. Meine Lungen wollten nicht aufhören zu brennen, die OP-Narbe pulsierte im Rhythmus meines rasenden Herzschlages und mein Kopf schien jeden Augenblick platzen zu wollen. Niemals hätte ich geglaubt, dass so etwas in Ruby Falls passieren könnte. Dies war ein kleines, beschauliches Städtchen, eines, in dem die meisten nicht einmal ihre Haustüren absperrten – etwas, was ich in Zukunft ganz sicher tun würde, sofern ich es heil nach Hause schaffte.
Nicht zu wissen, wer diese Typen waren oder was sie von mir wollten, machte mich verrückt. Ich versuchte mir einzureden, dass sie es auf meine Handtasche abgesehen hatten,obwohl mir eigentlich klar war, dass es das nicht sein konnte. Handtaschenraub war ein schneller Job: sich an das Opfer heranpirschen, Tasche entreißen, flüchten. Ganz sicher würde kein Räuber die Verfolgung aufnehmen, wenn er erst einmal bemerkt worden war. Aber welche Alternativen blieben dann noch? Jemand, der auf eine Vergewaltigung aus war, hätte mir wohl eher im Schatten eines Hauses aufgelauert und mich in eine stille Gasse gezerrt, statt mich durch den Park zu hetzen. Entführer? Mein Dad war zwar vermögend, aber nun auch wieder nicht so reich, dass ich auf der Abschussliste geldgieriger Erpresser gestanden hätte – ganz davon zu schweigen, dass er mich niemals jemandem gegenüber erwähnte und in Ruby Falls niemand wusste, dass er ein erfolgreicher Unternehmer war. Dass meine Verfolger es auf ein Lösegeld abgesehen hatten, konnte ich wohl ausschließen.
Die einzige Erklärung, die mir sonst noch einfallen wollte, war, dass es sich bei den Maskierten um zwei irre Massenmörder handelte, die ihre Nächte mit Menschenjagden verbrachten, ehe sie ihre Opfer auf grausamste Weise verstümmelten und töteten. Eine Vorstellung, die nicht gerade zu meiner Beruhigung beitrug.
In der Ferne erklang der Ruf eines Käuzchens. Das Rascheln von Blättern ließ mich zusammenfahren, bis mir bewusst wurde, dass es nur der Wind war, der säuselnd durch die Baumkronen strich. Ich versuchte das Rascheln ebenso zu ignorieren wie das Knacken von Ästen und Zweigen. Himmel, das war ein Park! Hier lebten Tiere. Natürlich waren Geräusche zu hören. Die Schritte jedoch, die ich kurz darauf in Form von dumpfen Schlägen vernahm, gehörten zu keinem Tier. Ich spähte über den Rand der Mulde hinweg und suchte zwischen den Bäumen nach meinen Verfolgern. Es dauerte nicht lange, bis ich sie entdeckte. Zwei schattenhafte
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