Rebellion Der Engel
Schutzgeister vor, bis mir das erste Mal das Wort »Schutzengel« ins Auge sprang. Das Buch stand ziemlich weit oben, sodass ich mich auf die Zehenspitzen stellen und mich strecken musste, um es zu erreichen. Kaum hielt ich es in der Hand, schlug ich es auf und überflog das Inhaltsverzeichnis. Es bestand aus Fragen wie: Woran erkenne ich meinen Schutzengel? Wie kann ich ihn rufen? Welche Aufgaben hat er? Das alles klang ziemlich abgedreht – so abgedreht, dass ich das Buch unter anderen Umständen grinsend zurückgestellt hätte. Dummerweise schien mich das Thema inzwischen unmittelbar zu betreffen, sodass es nichts schaden konnte, die Kapitel zumindest einmal zu überfliegen.
Ich klappte es zu und fragte mich, ob ich damit ins Büro verschwinden oder mich erst nach weiteren brauchbaren Schmökern umsehen sollte. Unentschlossen musterte ich die Buchreihen vor mir.
»Rachel!«, rief jemand. »Vorsicht!«
Auf der Suche nach dem Grund für diese Warnung wirbelte ich herum. Noch in der Drehung sah ich aus dem Augenwinkel, wie das Regal kippte. Es würde mich unter sich begraben! Die Bücher rutschten nach vorn, fielen über die Kante und prasselten in Form eines unbarmherzigen Regens aus Papier und harten Einbänden auf mich herab. Hinter ihnen stürzte mir das Regal entgegen. Ich brachtemich mit einem seitlichen Satz in Sicherheit, nicht einmal einen Herzschlag, bevor das Konstrukt aus massivem Holz auf den Boden krachte.
Schwer atmend stand ich da und starrte auf das Regal, das mich um ein Haar erschlagen hätte.
»Bist du verletzt?« Ich spürte eine Berührung an meinem Arm, und als ich aufsah, blickte ich in Pats erschrockenes Gesicht. »Rachel! Geht es dir gut?«
Ich wollte ihm sagen, dass mir nichts fehlte und dass er mir für seine Frage einen Dollar schuldete, doch mir saß der Schrecken zu tief in den Gliedern, sodass ich nur ein Nicken zustande brachte. Ohne Pats Warnung … Meine Finger klammerten sich um das Buch, bis die Knöchel weiß hervortraten. Um mich herum sammelten sich alle möglichen Leute und redeten auf mich ein. Ich murmelte beruhigende Belanglosigkeiten, an die ich mich schon eine Sekunde später nicht mehr erinnern konnte. Amber drängte sich zwischen den Leuten hindurch und nahm mich zur Seite, als ich Pat darum bitten wollte, mit anzupacken und mir zu helfen, das Regal wieder aufzustellen.
»Lass das Pat machen.«
»Allein?«
»Steve und ich können ihm helfen.«
»Ich kann doch auch …«
»Rachel, du bist leichenblass. Wie wäre es, wenn du in dein Büro gehst und dich hinsetzt, bevor du noch umkippst?«
Natürlich war ich erschrocken, doch ich war meilenweit davon entfernt, aus den Schuhen zu kippen. Himmel, das musste wirklich aufhören, dass sich Amber solche Sorgen um mich machte! Sosehr ich es zu schätzen wusste, so wusste ich doch auch, dass es auf Dauer ziemlich anstrengend werden würde, mich gegen ihre übermäßige Fürsorge zurWehr zu setzen. Ich warf einen Blick in die Runde, die aus Pat und Amber und mehreren Kunden bestand, die Zeugen des Vorfalls gewesen waren, und erkannte, dass dies nicht der passende Rahmen war, um eine Diskussion anzufangen. Statt also etwas zu sagen, nickte ich nur und verschwand in mein Büro.
Hinter mir gab Pat Anweisungen. Ich hörte das Scharren von Holz und wie jemand sagte, dass man die Bücher vorerst nicht wieder einsortieren könne, da die Wandhalterungen vollständig aus ihrer Verankerung gerissen wären. Dann schloss ich die Tür hinter mir und sperrte die Stimmen und Geräusche aus. Dankbar für die Ruhe lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür und atmete tief durch.
Meine Hände begannen plötzlich so heftig zu zittern, dass mir das Buch aus der Hand fiel. Da ich es vermutlich ohnehin nicht hätte festhalten können, ließ ich es liegen und verschränkte meine Arme vor der Brust, in der Hoffnung, das Zittern so unter Kontrolle zu bringen.
Es war sicher nur ein dummer Zufall, dass mir das Regal ausgerechnet heute beinahe den Schädel eingeschlagen hätte. Merkwürdig war nur, dass mir etwas Ähnliches noch nie passiert war – ich war vorher auch noch nie verfolgt oder überfallen worden.
Ohne das Buch aufzuheben, ging ich zu meinem Schreibtisch und ließ mich in den Stuhl fallen. Meine Hände zitterten noch immer, als ich die Tastatur zu mir heranzog und mich daran machte, die ersten Zahlen der Abrechnung einzugeben. Nach einer Weile wurde ich ruhiger. Meine Arbeit, die mir so vertraut war wie das Innenleben meiner
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