Rebellion Der Engel
Handtasche, half mir, den Schrecken zu verdauen.
Ich stand auf, um einen Ordner zu holen. Auf dem Weg zum Schrank hob ich endlich das Buch auf und warf es auf den Schreibtisch, ehe ich mich der langen Reihe vonOrdnern zuwandte und mir den herauspickte, den ich brauchte. Ich blieb vor dem Schrank stehen, schlug ihn auf und blätterte darin, auf der Suche nach einem Lieferschein.
»Rachel?«
Erschrocken ließ ich den Ordner fallen und fuhr herum.
Da war niemand.
Aber woher war die Stimme gekommen? Kein Mensch in unserem Laden wusste, wie die Gegensprechanlage am Telefon funktionierte – auch wenn ich, weiß Gott, schon oft genug versucht hatte, es ihnen zu erklären.
»Rachel?« Beim Klang dieser Stimme, die mir irritierend vertraut erschien, überkam mich ein eigenartiges Gefühl, als stünde ich kurz davor, etwas zu begreifen. Nur noch ein winziges Detail und der Anflug des Verstehens, der meinen Verstand mit einem Flügelschlag gestreift hatte, würde sich in ein stimmiges Bild verwandeln, das all meine Fragen beantwortete. Ganz ähnlich fühlte es sich an, wenn einem ein Name oder Filmtitel auf der Zunge lag – tief in einem drin wusste man genau, was man sagen wollte, und war kurz davor. Doch das richtige Wort fand einfach nicht den Weg auf die Zunge.
»Ist alles in Ordnung?«
Wieder ein Dollar. Ich sollte allmählich anfangen, das Geld einzutreiben.
»Nichts ist in Ordnung«, schnappte ich. »Ich höre Stimmen und sehe niemanden!«
Ein leises Lachen durchdrang die Stille, die meinen Worten folgte, ein Geräusch, so voller Wärme, dass ich ein Kribbeln in meinem Nacken spürte. »Ich bin dein Schutzengel.«
Nicht der schon wieder! »Der Typ aus meinem Garten?«
»Du hast einen Stein nach mir geworfen«, bestätigte er. »Und das hat wehgetan.«
»Sollte ein Engel nicht …« Ich zuckte die Schultern, aufder Suche nach dem richtigen Ausdruck. »Ich weiß nicht – irgendwie unverwundbar sein?«
Wieder dieses Lachen, das wie eine Liebkosung über meine Haut rollte. »Ich spreche vom seelischen Schmerz der Zurückweisung. Meinesgleichen wird nicht oft mit Steinen beworfen.«
»Deinesgleichen treibt sich für gewöhnlich auch nicht in meinem Garten herum.« Langsam tastete ich mich an der Wand entlang bis zur Tür. Sobald ich sie erreicht hatte, riss ich sie auf, in der Erwartung, davor jemanden mit einem Mikrofon in der Hand zu finden, der mir einen Streich spielte.
Der Gang vor meiner Tür war verlassen.
Ich streckte den Kopf aus dem Büro und sah mich um, ohne etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Amber stand mit einer Kundin neben einem der Tische mit der Stapelware und sprach voller Begeisterung über einen Roman. Jill bediente die Kasse und Pat war im hinteren Teil damit beschäftigt, die esoterischen Bücher vom Boden aufzusammeln und auf einen Rollwagen zu stapeln. Zwischen den Regalen liefen Kunden umher und stöberten in den Büchern. Keiner von ihnen kam für mich als Quelle dieser Stimme infrage.
»Dort draußen wirst du mich nicht finden, Rachel.«
Die Stimme kam aus meinem Büro, daran bestand kein Zweifel. Die Frage war nur, wie sie dahin kam. Ich kehrte ins Zimmer zurück und schloss die Tür hinter mir. »Nehmen wir einmal an, ich würde dir diese Geschichte abkaufen«, sagte ich in den Raum hinein. »Was willst du?«
»Es wäre ein schöner Anfang, wenn du mir glauben würdest.«
»Um ehrlich zu sein, fällt mir das ein bisschen schwer.« Ich dachte daran, zum Schreibtisch zurückzukehren undmich zu setzen, da meine Knie schon wieder wie Pudding waren. Im Augenblick jedoch fühlte ich mich in der Nähe der Tür, mit einer Wand im Rücken, wesentlich wohler.
»Ich weiß, dass du mich nicht hier haben willst; das hast du gestern deutlich genug zum Ausdruck gebracht.« Seinen Worten folgte ein Geräusch, als würde er tief durchatmen oder einen Seufzer unterdrücken. »Aber ich glaube, dass du mich im Augenblick wirklich brauchst.«
Das hat dich damals auch nicht interessiert. »Wenn du von mir erwartest, dass ich mich auf ein ernsthaftes Gespräch einlasse, dann zeig dich!« Sich mit jemandem zu unterhalten, den ich nicht sehen konnte, fühlte sich bescheuert an. Ich kam mir vor wie ein Schwachkopf – jemand, der keine Selbstgespräche führte, sondern sich mit seinen eingebildeten Fantasiefreunden unterhielt. Der Kerl, der sich als mein Schutzengel ausgab, konnte ebenso gut ein zwei Meter großes weißes Kaninchen sein. Ja, ich kenne den Film!
»Es ist mir nicht gestattet,
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