Rebellion Der Engel
diese Vertrautheit vermutlich nur eingeredet hatte, um mir nicht vor Angst in die Hosen zu machen.
»Und dieser Kerl ist einfach in dein Haus gekommen?« Amber war anzusehen, dass sie es nicht fassen konnte und sich selbst jetzt, obwohl ich unbeschadet vor ihr saß, noch Sorgen um mich machte. »Hast du die Polizei gerufen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Du musst Anzeige erstatten. Ich meine, womöglich ist er ja ein gesuchter Verbrecher und …« Sie sah auf. »Vielleicht gehört er zu diesen Maskierten, die dich verfolgt haben!«
»Ich glaube nicht, dass er ein Verbrecher ist.« Ich glaubte ja nicht einmal, dass er ein Mensch war.
»Wieso? Hast du ihn denn vorher schon mal gesehen?«
»Im Wagen«, entfuhr es mir und ich wusste sofort, dass es ein Fehler war. Trotzdem fuhr ich fort: »Einen Sekundenbruchteil vor dem Unfall.«
Amber schnitt eine Grimasse. »Rachel, das ist nicht witzig.«
»Glaub mir, ich finde das auch nicht komisch. Der Typ ist ein Freak! Er wollte wissen, ob sich seit dem Unfall etwas verändert hat.« Da Amber mich noch immer mit diesem »Du brauchst ärztliche Hilfe«-Blick musterte, verzichtete ich darauf, ihr auch noch von meiner Waschraumbegegnung mit McCray zu erzählen.
»Ich weiß, wie sich das anhören muss«, räumte ich ein. »Aber in letzter Zeit passiert so viel, was ich mir einfach nicht erklären kann.« Erstaunt stellte ich fest, dass wir zwar sonst über alles sprachen, uns aber noch nie wirklich über Übernatürliches unterhalten hatten – oder darüber, wie wir dazu standen. Sicher, als Kinder hatten wir uns im Gläserrücken versucht und mit einem Ouija-Brett gespielt, aber das war nichts weiter als ein Spaß gewesen, wie ihn Millionen Teenager vor und nach uns mitgemacht hatten. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, ob Amber an diesen Kram glaubte oder ob sie es als Blödsinn abtat. Ihr Horoskop las sie zumindest jeden Morgen.
»Ich halte dich nicht für verrückt, falls du dir deswegen Sorgen machst, aber ich habe trotzdem Schwierigkeiten zu glauben, dass …« Sie seufzte. »Der Unfall hat dich ziemlich mitgenommen und ich weiß, dass du dir immer noch Vorwürfe machst. Vielleicht brauchst du einfach noch ein bisschen Zeit, um wieder auf Normalbetrieb schalten zu können.«
»Ich werde nicht nach Hause gehen, falls du das vorschlagen willst.« Der Gedanke, neben meinem sprechenden Kater zu sitzen und darauf zu warten, dass der nächste Engel auftauchte, war alles andere als reizvoll.
»Dann versprich mir, dass du wenigstens noch einmal mit Dr. Fiedler redest.«
Ich fühlte mich wie ein Vollidiot, aber wie erklärte man seiner besten Freundin, dass einem Dinge passierten, die sich nicht als normal bezeichnen ließen? Konnte ich wirklich erwarten, dass sie mir das abkaufte? Nicht ohne Beweise. Fragte sich nur, woher ich die bekommen sollte. Fürs Erste war es sicherlich das Beste, das Thema ruhen zu lassen.
Zu meinem Glück klingelte das Telefon und erlöste mich von weiteren Bitten, mich noch einmal untersuchen zu lassen. »Entschuldige«, sagte ich. »Ich muss das annehmen. Das ist sicher unser Steuerberater, auf dessen Rückruf ich seit gestern warte.«
Amber warf mir einen durchdringenden Blick zu, ehe sie sich erhob und das Büro verließ. Es war tatsächlich unser Steuerberater, auch wenn ich seinen Anruf gar nicht erwartet hatte. Nach dem Telefonat vertiefte ich mich wieder in meine Rechnungen, bis mich die Unruhe und die Neugierde erneut übermannten und ich nach draußen ging, um nach einem Buch über Engel zu suchen.
Auf meinem Gang durch den Laden kreuzte ich den Weg mehrerer Stammkunden, die mich in Gespräche verwickelten. Ich beantwortete ihre Fragen über den Unfall und zu meinem Befinden so knapp wie möglich, ohne dabei unhöflich zu sein, und entschuldigte mich jedes Mal schnell, indem ich vorschob, ein Buch für einen Kunden suchen zu müssen.
Die esoterischen Bücher befanden sich im hinteren Teil des Ladens, in mannshohen Wandregalen. Ich blieb davorstehen und machte mich daran, den Inhalt der Regale zu überfliegen. Amber hätte mir sofort sagen können, wo welches Buch stand, denn während sich mein Wissen auf die kaufmännische Seite unseres Ladens konzentrierte, waren die Regale und deren Inhalt ihr Leben. Nach unserem Gespräch von vorhin wollte ich ihr Misstrauen jedoch nicht noch weiter schüren, indem ich sie nach Büchern über Engel ausquetschte. Dann lieber selbst suchen.
Ich arbeitete mich langsam über Auren und
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