Rebellion Der Engel
ahnungslos halten. Doch mein Blick zuckte wie wild von einer Seite zur anderen. Hinter jedem Busch, in jeder Ecke und jedem Schatten witterte ich eine Gefahr und verfluchte die Dunkelheit dafür, derart undurchdringlich zu sein. Erst da fiel mir auf, dass es tatsächlich finster war. Meine Nachtsicht war fort – vertrieben von meiner stetig wachsenden Angst.
Ich musste mich zwingen, mich nicht zu fest an Kyles Hand zu klammern. Als mir das nicht gelang und meine Finger zu schmerzen begannen, rief ich mir ins Gedächtnis, dass er ein Ex-Marine war. Er würde mit einem Angreifer fertig werden und es würde ihm leichter fallen, wenn ich ihm die Finger nicht abquetschte.
Dann fiel mir etwas anderes ein. »Pistole«, sagte ich leise. »Ich habe eine Waffe in meiner Handtasche.«
Er sah mich erstaunt an, als hätte er nicht damit gerechnet, dass jemand wie ich bewaffnet sein könnte, zwang aber sofort wieder das arglose Lächeln in seine Züge zurück. »Die werden wir hoffentlich nicht brauchen«, erklärte er. »Aber es ist gut, zu wissen, dass du nicht wehrlos bist.«
Ich zwang mich, Kyles Lächeln zu erwidern. Mein Blick war starr auf ihn gerichtet, aus Angst, dass ich sonst doch noch zum Haus zurücksehen könnte. »Was tun wir jetzt?«
Er öffnete die Beifahrertür. »Steig ein.«
Sobald ich im Wagen saß und Kyle die Tür hinter mir zugeworfen hatte, riskierte ich einen verstohlenen Blick zu den Fenstern. Da sah ich ihn – einen Schatten, der sich in meinem Schlafzimmer hinter den Gardinen bewegte. Es war der erschreckendste und beunruhigendste Anblick, den ich je gesehen hatte. Ich fragte mich, ob ich jemals wieder in mein Schlafzimmer gehen könnte, ohne an diesen Eindringling zu denken oder fürchten zu müssen, dass mir jemand darin auflauerte.
Ich lehnte die Stirn gegen die Scheibe. Die Kälte des Glases kroch mir unter die Haut und betäubte meine Panik ein wenig. Ich war weit genug vom Haus entfernt. Hier drohte mir im Augenblick keine Gefahr, und sollte es dennoch ernst werden, hatte ich Kyle.
Und die Pistole.
Genauer betrachtet war es die pure Ironie. Gestern Abend noch hatte ich mir vorgenommen, nicht länger nur auf Ereignisse zu reagieren und mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, und heute – keine vierundzwanzig Stunden später – spuckte mir das Schicksal ins Gesicht und zwang mich einmal mehr dazu, abzuwarten, was geschah.
Andererseits hätte die Dinge selbst in die Hand zu nehmen bedeutet, dass ich meine Waffe nehmen und damit ins Haus stürmen müsste. Wenn passiv sein bedeutete, dass dieCops das für mich übernahmen, wollte ich gern noch ein paar Stündchen länger passiv sein.
Neben mir setzte sich Kyle hinters Steuer, ließ den Motor an und fuhr los. An der übernächsten Abzweigung bog er um die Ecke, wendete den Wagen und fuhr rechts ran. Er griff in seine Hosentasche und stieß einen Fluch aus.
»Hast du dein Handy dabei?«, wollte er wissen.
Ich zog es aus meiner Handtasche und reichte es ihm.
Ein paar Sekunden später hatte er den Notruf gewählt und meldete den Eindringling in meinem Haus. »Wir sind zwei Straßen weiter«, erklärte er und beugte sich nach vorn, auf der Suche nach einem Straßenschild.
»Hancock Avenue«, sagte ich.
Er gab unseren Aufenthaltsort an die Notrufzentrale durch und beendete das Gespräch. »Sie sind auf dem Weg«, erklärte er. »Wir sollen hier warten. Sobald sie die Lage geklärt haben, rufen sie an.«
19
G ähnend verschob Akashiel eine Kopie des gesendeten Berichtes in den Ordner für abgeschlossene Fälle und schloss das E-Mail-Programm. Es war der letzte noch ausstehende Bericht gewesen und endlich, am Ende eines langen Tages, an dem er nichts anderes getan hatte, als sich mit lästigem elektronischem Papierkram herumzuschlagen, hatte er alles erledigt.
Er trank den letzten Schluck kalten Kaffee und lehnte sich zufrieden zurück. Während der letzten Tage hatte er nur das Nötigste erledigt. Dinge, die sich nicht aufschieben ließen, wie die Rettung eines Menschen, oder längstüberfällige Berichte, die das Vorzimmer des Chefs bereits mehrmals angemahnt hatte. Alles andere hatte er schleifen lassen und seine Aufmerksamkeit stattdessen Rachel zugewandt.
Dass sie heute beschäftigt war, hatte ihm die nötige Zeit verschafft, für Ordnung zu sorgen. Es hätte ihm nichts ausgemacht, die Berichte noch einige Tage liegen zu lassen, er befürchtete jedoch, dass jemandem in der Chefetage – womöglich dem Chef selbst –
Weitere Kostenlose Bücher