Rebellion Der Engel
weiterentwickelt.«
»Wächter«, überlegte ich laut. »Dann sind sie unsere Schutzengel?«
»So kann man es wohl nennen.«
Das war es also, was Akashiel war – ein Grigori. Mein Grigori.
»Welche Fähigkeiten haben sie?«, wollte ich wissen. »Wenn sie uns Menschen beschützen sollen, müssen sie sicher einiges auf dem Kasten haben, oder?«
»Darüber gibt es eine Menge widersprüchlicher Quellen. Von seelischem Beistand über Heilung und Teleportation sind so ziemlich alle Tricks bekannt, die man heutzutage auch bei den Comic-Superhelden findet.« Kyle zeichnete mit dem Finger unsichtbare Muster auf das Tischtuch. »Vielleicht brauchen sie auch gar keine Superkräfte. Womöglich genügt es, dass uns das Wissen um sie Hoffnung gibt und uns unser Leben aushalten lässt.«
So schön sich seine letzten Worte auch anhören mochten, ich wusste, dass Akashiel weit mehr konnte, als bloße Hoffnung zu verbreiten.
»Was weißt du sonst noch über sie?«
Er schüttelte den Kopf. »Das war es im Großen und Ganzen. Alles andere wären nur noch schwer verständliche Bibelstellen, aus denen man nur mit sehr viel Fantasie überhaupt Hinweise auf Schutzengel herausfiltern kann.«
Ähnliche Stellen wie jene, über die ich im Internet gestolpert war. Nein, danach stand mir nun wirklich nicht der Sinn. Immerhin wusste ich jetzt ein bisschen was über den Ursprung der Schutzengel, und so seltsam es auch klingen mochte, ich fühlte mich Akashiel dadurch näher als zuvor.
18
W ir aßen unser Dessert und tranken den Kaffee, der mittlerweile kalt geworden war, und wandten unsere Unterhaltung wieder allgemeineren Themen zu. Ich erzählte von meiner Arbeit und davon, dass es schon immer unser Traum gewesen war, diesen Laden zu eröffnen. Er hörte mir zu, stellte hin und wieder eine Frage, hütete sich aber davor, mir etwas über sein Leben als Priester zu erzählen.
Eines jedoch war mir während unseres Gespräches klar geworden: Kyle passte ganz sicher nicht in die Vorstellung, die ich bisher von einem Priester gehabt hatte. Die Art, wie er von Engeln erzählte und eingeräumt hatte, dass er nicht mit allen Lehren der Kirche einverstanden war, gefiel mir. Er mochte ein Mann Gottes sein, aber er war es auf eine ausgesprochen unaufdringliche Weise. Ich hätte darauf wetten können, dass ihm die Leute beim Gottesdienst buchstäblich die Türen einrannten.
Nachdem wir gegessen hatten, wollte ich mich verabschieden. Es war schon viel zu spät – nach Mitternacht – und der Gedanke, allein nach Hause zu gehen, bereitete mir Unbehagen.
Bevor ich ihn darum bitten konnte, erklärte er: »Ich fahr dich nach Hause.«
Ich stieß erleichtert die Luft aus, und als ich ihn wieder ansah, stellte ich fest, dass er mich mit gerunzelter Stirn musterte.
»Hast du etwa gedacht, ich würde dich um diese Zeit nach Hause laufen lassen? Allein?«
Er holte seinen Autoschlüssel und kurz darauf saßen wir in seinem Wagen und waren auf dem Weg zu mir. Ich lotste ihn durch die verlassenen nächtlichen Straßen, bis er vor meinem Haus stehen blieb und den Motor abstellte.
»Eine schöne Gegend«, sagte er. »Ich wette, von hier aus kann man das Meer sehen.«
»Die Aussicht hat meine Entscheidung, hier einzuziehen, definitiv schwer beeinflusst«, stimmte ich zu. »Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast.«
»Noch sind wir nicht da.«
»Was?« Ich sah ihn irritiert an, doch bevor ich etwas sagen konnte, hatte er schon seinen Sicherheitsgurt gelöst und war ausgestiegen. Keine fünf Sekunden später öffnete er die Beifahrertür, sodass auch ich aussteigen konnte.
»Das ist ein ›Tür zu Tür‹ -Service«, erklärte er und deutete auf meine Haustür, »und ich werde erst verschwinden, wenn du sicher bei dieser Tür angekommen bist.«
Statt am Wagen zu warten, bis ich im Haus verschwunden war, begleitete er mich zur Veranda. Die Außenbeleuchtung war nicht an und das Mondlicht konnte die Schatten unter dem Vordach nicht durchdringen. Dank der außergewöhnlichen Nachtsicht, die ich in den letzten Tagen entwickelt hatte, musste ich trotzdem nicht lange in meiner Tasche nach dem Schlüssel suchen.
Mit einem triumphierenden »Ha!« zog ich ihn heraus, steckte ihn ins Schloss und sperrte auf, ehe ich mich noch einmal zu Kyle herumdrehte. »Danke für …« den schönen Abend, hatte ich sagen wollen, doch bevor ich den Satz vollenden konnte, beugte er sich vor und küsste mich. Ich drehte den Kopf gerade weit genug zur Seite, sodass seine
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