Rebellion Der Engel
auffallen könnte, dass er seine Arbeit nicht mit der gewohnten Sorgfalt erledigte.
Am Ende käme jemand auf die Idee nachzuforschen und würde dabei auf Rachel stoßen. Das wollte er vermeiden. Überhaupt wollte er ihren Namen aus allem heraushalten, was mit seiner Arbeit zu tun hatte, solange es sich nicht um ihre Akte handelte – und dort hinein würde er nichts anderes schreiben, als dass der Fall erledigt war. Irgendwann. Bis dahin durfte niemand Wind davon bekommen, dass er auf einem schmalen Grat wanderte, der ihn verdammt nah an die Höchststrafe heranbrachte.
Obwohl er allein arbeitete und sich den Menschen, denen er half, niemals zeigte, hatte er sich nie einsam gefühlt. Er hatte Kontakt zu anderen Schutzengeln, sie trafen sich regelmäßig, und das nicht nur zu geschäftlichen Besprechungen, sondern auch auf ein Bier nach Feierabend. Diese Jungs waren seine Freunde, sie trieben sich in menschlicher Gestalt in Kneipen und Restaurants herum, gingen ins Kino, zum Bowling oder sahen sich Footballspiele im Fernsehen an, und doch war es anders als mit Rachel. Es machte ihm nichts aus, die Jungs ein paar Tage oder Wochen nicht zu sehen, was durchaus vorkommen konnte, wenn die Arbeit mal wieder wie eine zweite Sintflut über sie hereinbrach. Bei Rachel hingegen erschienen ihm ein paar Stunden, in denen er nicht mit ihr sprechen konnte, schon zu lang.
Und für heute hatte er genug Geduld bewiesen.
Es war mittlerweile nach Mitternacht und wahrscheinlich war sie bereits zu Hause. Er streckte seinen Geist nach ihr aus und suchte nach ihrer Signatur. Binnen eines Sekundenbruchteils fand er sie. Sie war noch nicht im Haus, aber bereits auf dem Grundstück.
»Rachel?«
Keine Antwort.
»Kannst du mich hören?«
Wieder nichts.
Er versuchte es weiter, doch sosehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht gelingen, zu ihr durchzudringen. Was, wenn etwas passiert war, das ihre Gedanken so sehr beanspruchte, dass es ihren Geist komplett vor der Außenwelt abschirmte? Bisher war das nur zwei Mal geschehen: nach dem Tod ihrer Mutter und als sie gestern ihren Kater auf der Veranda gefunden hatte.
Beim nächsten Versuch gelang es ihm nicht einmal mehr, ihre Signatur aufzuspüren. Sicher, sie konnte in einem Wagen sitzen, wo er sie wegen des vielen Metalls nicht erreichen konnte, aber gerade eben hatte er sie noch auf ihrem Grundstück geortet – und plötzlich sollte sie fort sein?
Sofort war er auf den Beinen und einen Herzschlag später auf dem Dach ihres Hauses. Noch einmal streckte er seine Sinne nach ihr aus – sie war nicht näher gekommen. Etwas schien sie davon abzuhalten. Und als er in ihren Garten blickte, wusste er, was das war.
Vor dem Haus auf dem Gehweg standen zwei Streifenwagen mit blinkenden Lichtern. Die Motoren liefen noch und erfüllten die Nacht mit ihrem dumpfen Wummern, während die roten und blauen Lichter das Haus und den Garten in gespenstisch zuckendes Licht tauchten. Uniformierte Polizisten schwärmten über den Rasen aus, ihrePistolen gezückt. Zwei sahen sich auf dem Grundstück um, die anderen beiden näherten sich dem Haus.
Da spürte Akashiel, das jemand im Inneren war.
Einer von seinesgleichen.
Die Präsenz kam aus Rachels Schlafzimmer.
Mit einem einzigen Gedanken versetzte er sich ins Haus. Er erschien neben dem Bett, mit dem Gesicht zum Fenster. Der Eindringling war hinter ihm, das konnte er spüren. Er fuhr herum und erhaschte einen kurzen Blick auf einen schemenhaften Umriss. Dann war er verschwunden.
Akashiel spürte der Signatur nach, doch der Eindringling hielt sie vor ihm verborgen, sodass er ihm nicht folgen konnte. Fluchend sah er sich im Zimmer um. Die Schränke waren durchwühlt worden, Wäsche aus der Kommode gezerrt und über den Boden verteilt, Bücher aus den Regalen gezogen und achtlos zur Seite geworfen. Die Nachttischlampe war umgefallen, die Glühbirne zerbrochen. Der Raum war ein einziges Durcheinander.
Abgesehen davon, dass er noch nie einem Engel begegnet war, der es nötig gehabt hätte, etwas zu stehlen, hatte dieses Chaos nichts mit einem Einbruch zu tun. Der Eindringling hatte weder die Armbanduhr noch die Schmuckschatulle mitgenommen. Es war ihm nicht um Wertsachen gegangen, sondern darum, Rachel Angst einzujagen. Vielleicht hätte er ihr auch aufgelauert und sie angegriffen, wenn er die Gelegenheit dazu bekommen hätte.
Dass Kyriel behauptete, ihr Schutzengel zu sein, war eine Sache, in ihr Haus einzudringen, um wer weiß was zu tun, eine
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