Rebellion Der Engel
Lippen die meinen lediglich streiften und meine Wange trafen. Trotz der Dunkelheit sah ich die Enttäuschung in seinen Augen aufflackern. Aber er sagte nichts. Dafür war ich ihm dankbar, denn ich hätte nicht gewusst, wie ich ihm hätte erklären sollen, warum ich seinen Kuss nicht erwidert hatte.
Himmel, ich wusste es ja selbst nicht!
Er war toll – nein, Amber hatte recht, wenn sie sagte, erwar heiß. Soweit ich es beurteilen konnte, war er obendrein ein fantastischer Mensch. Es gab nichts, was mich davon abhalten sollte, ihn zu küssen. Es war dämlich, es nicht zu tun. Sehr, sehr dämlich. Trotzdem hatte ich es nicht getan.
»Gute Nacht, Rachel.«
»Gute Nacht.«
Ich blieb an der Tür stehen und beobachtete, wie er zu seinem Wagen zurückkehrte. Da wurde mir plötzlich bewusst, warum ich ihn nicht geküsst hatte. Meine Gedanken waren bei einem anderen gewesen. Bei einer gesichtslosen Stimme, die – wann immer ich sie zu hören bekam – mein Innerstes berührte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Am liebsten wäre ich Kyle hinterhergelaufen und hätte ihn gebeten, mich noch einmal zu küssen, aber dieses Mal richtig. Ich konnte mich unmöglich in einen Kerl verliebt haben, der sich mir niemals zeigen würde. Einen Engel! Verliebt war vielleicht zu viel gesagt, ganz sicher jedoch hatte Akashiel etwas in mir berührt.
»Du bist wirklich bescheuert«, schalt ich mich selbst. Kyle war der, den ich haben konnte, und er war wunderbar! Aber ich wollte das Unmögliche.
Meine Aufmerksamkeit kehrte zu Kyle zurück. Bevor er einstieg, drehte er sich noch einmal zu mir herum. Sein Blick glitt über die Hausfassade zu mir, und ehe ich wusste, wie mir geschah, kam er erneut mit schnellen Schritten auf mich zu.
Offensichtlich hatte er es sich anders überlegt und wollte nun doch eine Erklärung von mir, und auch wenn ich mir Sekunden zuvor noch gewünscht hatte, dass er mich noch einmal küsste, war dieser Wunsch jetzt verflogen. Was blieb, war die Frage, was ich ihm sagen sollte.
»Kyle, ich …«, setzte ich an, kaum dass er die Veranda erreicht hatte, doch ich kam schon wieder nicht dazu, meinenSatz zu beenden. Dieses Mal jedoch versuchte er nicht, mich zu küssen.
»Komm mit mir«, sagte er lächelnd und griff nach meiner Hand. »Ganz langsam, als hättest du dich entschieden, mich zu begleiten.«
»Was?«
»Es ist jemand in deinem Haus«, erklärte er, ohne den Blick von mir zu nehmen oder sein Lächeln einzustellen. Für jeden Beobachter musste es aussehen, als würden wir eine banale Unterhaltung führen – zumindest Kyle würde so wirken. Was mich anging, war ich mir nicht so sicher. »Hat jemand einen Schlüssel?«
»Amber«, flüsterte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe den Umriss hinter einem Fenster gesehen. Das ist keine Frau.«
Akashiel. Er musste es sein. Es gab keinen Grund für ihn, sich unsichtbar zu machen, solange niemand in der Nähe war. Hatte er nicht selbst gesagt, dass ich ihn an dem Abend, als er im Schatten der Weide stand, überrumpelt hatte und er sich nicht mehr schnell genug unsichtbar machen konnte?
Ich streckte meinen Geist nach ihm aus, suchte nach der Wärme, die seine Präsenz stets begleitete, doch da war nichts. Kein Prickeln. Keine Wärme. Und auch sonst kein Zeichen.
Wer auch immer sich in meinem Haus befand – es war nicht mein Schutzengel.
Die Maskierten!
»Popcorn«, flüsterte ich.
Kyle sah mich fragend an.
»Mein Kater«, sagte ich schnell. »Wir müssen …«
»Ihm wird nichts geschehen. Du bist diejenige, um die ich mir Sorgen mache.«
Ich biss mir auf die Lippe und schluckte die Worte herunter, die mir auf der Zunge lagen. Wie sollte ich ihm erklären, dass Popcorn erst gestern gestorben war und ich ihn nicht noch einmal verlieren wollte? Womöglich war der Eindringling in meinem Haus dieselbe Person, die Popcorn schon einmal umgebracht hatte. Nichts davon konnte ich Kyle sagen.
»Lass uns sehen, dass wir hier wegkommen.«
Langsam entfernten wir uns vom Haus und näherten uns seinem Wagen.
»Nicht hinsehen«, warnte er mich, und erst da wurde mir bewusst, dass ich im Begriff gewesen war, mich nach meinem Haus umzudrehen. »Tu einfach so, als sei alles in Ordnung. Lächle. Lassen wir ihn in dem Glauben, dass wir noch etwas unternehmen wollen.«
Noch nie war mir mein Garten so fremd und so bedrohlich erschienen. Ich war krampfhaft darum bemüht, meinen Kopf nicht zu bewegen – ein möglicher Beobachter sollte mich für ruhig und
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