Rebellische Herzen
und gespreizten Beinen vor Adornas Kaminfeuer, wie ein Kapitän auf der Brücke seines Schiffes. »Wie sollte sie einen Mann meiner Statur und ehrenwerten Natur auch nicht lieben?«
Adorna ließ ihrem Gelächter freien Lauf. Sie lachte die damenhafte Version von Wynters dröhnendem Lachen. Sie wollte sich zusammennehmen, aber ein kurzer Blick auf den empörten Wynter ließ sie wieder losprusten. »Wynter, Lieber, überlege doch! Wenn das stimmte, wären sämtliche Frauen Englands in dich verliebt.« Sie hob, bevor er etwas erwidern konnte, die Hand. »Aber ich versichere dir, das sind sie nicht. Und ich verstehe eine Menge von Romanzen.«
Sie hätte wissen müssen, dass man Wynter nicht ungestraft verlachte. »Ich verstehe allerdings nicht, Mutter, wie du dich als Expertin für Liebesdinge betrachten kannst. Du schäumst nicht gerade vor Freude, jetzt, wo Lord Bucknell uns nicht mehr aufsucht.
Adorna fühlte einen stechenden Schmerz. Sie glaubte noch nicht recht, dass Bucknell sie tatsächlich mied. Sie hatte gehofft, er sei zurzeit nur anderweitig beschäftigt. Aber sie musste den Tatsachen ins Auge sehen. Bucknell würde ihre Bedingungen ebenso wenig akzeptieren, wie sie die seinen. Es war aus. Und sogar Wynter, egozentrisch wie er war, hatte das begriffen.
»Unsinn«, sagte sie tapfer. »Ich bin hocherfreut, dass Bucknell einen befriedigenderen Zeitvertreib gefunden hat.« Aber sie musste gegen ihre Tränen anzwinkern.
Wynter ließ sich nicht beirren. »Hast du Bucknell zur Hochzeit eingeladen?«
»Natürlich, mein Lieber.« Sie probierte ihr übliches, überschwängliches Lächeln. »Wir sind schließlich
Freunde.«
»Ihr wart mehr als das.«
Wie hatte ihr diese Unterhaltung bloß so entgleiten können? Und seit wann hatte Wynter etwas anderes als Pferde und Geschäftemacherei im Kopf? »Lord Bucknell hat einfach nicht das
joie de vivre,
das dein Vater hatte.«
»Das, liebe Mutter, erscheint mir doch recht oberflächlich.«
»Ist es nicht. Für mich muss ein Mann – oder
musste, was
deinen Vater angeht – eine gewisse Aura haben. Bucknell ist schlechterdings unauffällig.« Bevor Wynter ihr noch weiter zusetzen konnte, sprach sie weiter- »Und er ist so unerträglich gesetzt. Aber er hat immer wieder meine Gesellschaft gesucht und ich … ich habe mich, zum ersten Mal seit dein Vater tot ist, in gewisser Weise angezogen gefühlt.« jetzt wusste sie, wie sie ihn von sich ablenken und wieder auf ihn zurückkommen konnte. »Wir wünschten uns wohl beide, an einen temperamentvolleren Partner geraten zu sein. Ich und Bucknell, du und Charlotte. Wie verschieden wir voneinander sind.«
»Männer und Frauen
sind
grundverschieden, das hat Barakah mich gelehrt.«
Wieder eine von diesen Weisheiten! Charlotte war nicht zu beneiden. »Das sind sie nicht, Lieber. Wir fühlen alle den gleichen Schmerz und die gleiche Freude und wollen im Herzen dasselbe. Nur konzentrieren wir uns auf unterschiedliche Dinge. Du willst Charlotte. Aber Charlotte will deine
Liebe.«
Sollte er darüber eine Weile nachdenken! Sie wandte sich wieder ihren Unterlagen zu und sagte: »Ich habe darüber etwas nachgedacht.«
Er kannte diese Taktik. Sie würde einfach das Thema wechseln, aber im Moment war ihm das nur recht. »Was mitunter gefährlich werden kann, Mutter. Worüber hast du nachgedacht?«
»Diese Unterschlagungen in der Firma. Es war eigentlich gar nicht so viel.«
Ihre Ansichten, vor allem aber ihr freundlicher Tonfall, erstaunten ihn. »Nicht so viel?«
»Nicht so viel
Geld,
Dummerchen. Wer auch immer es war, er hat nicht viel genommen.« Sie griff zur Feder und tauchte sie in die Tinte.
»Ach«, sagte Wynter. Worauf wollte sie hinaus? »Wie soll ich es dir erklären? Die Summe erscheint nicht so hoch, weil sich die Abrechnungen von Mal zu Mal ändern. Er scheint in Sorge zu sein und das Geld zurückzuzahlen«, sagte Wynter.
»Natürlich ist er besorgt.« Sie machte sich eine Notiz. »In der ganzen Firma gibt es nicht eine unlautere Seele. Ich bin sicher, er hatte ehrenwerte Gründe, das Geld zu nehmen. Er hat es sich in Wirklichkeit nur geborgt und jetzt gibt er es zurück.«
Wynter gaffte Adornas blonde Haarpracht an. »Und wenn er sich wieder etwas borgen möchte, dann lassen wir ihn einfach. Mutter, was redest du denn da?«
»Dass es ihm aufrichtig leid tut.«
Wynter liebte seine Mutter, aber sie war ihm manchmal ein Rätsel. Sogar sein Vater hatte manchmal nur noch seinen Kopf über sie geschüttelt und
Weitere Kostenlose Bücher