Rebellische Herzen
sich weitergearbeitet?
Wynter griff zum letzten Schmuckstück, dem Ring. Der Reif glitt über ihre zarten Knöchel und schloss sich fest um ihren Finger. Der Bernstein schrie seine Botschaft heraus. Wynters Frau. Wynters Eigentum. Zu spät, ihm die Hand zu entziehen.
Er nahm sie in beide Hände und drückte sie an die Lippen. Er küsste den Ring, ihre Fingerspitzen und ihre Handflächen auf eine Weise, die nichts mehr mit seinen leidenschaftlichen Küssen gemein hatte. Seine Küsse waren die Antwort auf ihre Bedingung. Er sagte ihr wortlos, dass er um sie buhlen und sie nehmen würde, ob sie nun wollte oder nicht.
Er schloss ihre Finger um den Kuss, den er ihr auf die Handfläche gegeben hatte, zur Faust und ließ sie den Kuss festhalten, wie ein ätherisches Besitztum. »Bewahren Sie sich diesen Kuss für Ihre einsamen Nächte in Ihrem jungfräulichen Bett auf. Drücken Sie sich ihn hin, wo immer es Ihnen gefällt und stellen Sie sich dabei vor, wie mein Mund sich wohl anfühlen würde, wenn ich Sie endlich in den Armen halte und bis zum Wahnsinn liebe.«
Wynter erhob sich elegant, ohne dabei ihre Hand freizugeben und konnte nicht widerstehen, ihr ein letztes Mal die Finger zu küssen. Dann entfernte er sich und verbeugte sich in Richtung der Damen. Seine letzte Verneigung – schon an der Tür – galt Charlotte und es gelang ihm, all seine Leidenschaft, seine Hingabe und seine Lust in die simple Geste zu legen. Charlotte wusste, dass das Letzte, was er von ihr sah, ihre errötenden Wangen waren.
Zack! Vierzehn Fächer sprangen wie auf Kommando auf und flatterten vor den roten Gesichtern ihrer Eigentümerinnen.
»Du lieber Himmel … ist das warm hier!« Adorna tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch die Stirn.
Charlotte stopfte sich das Federkissen unter den Kopf und wünschte sich nur noch, traumlos einzuschlafen und nicht ständig an Wynter mit seinen ständigen Überfällen und Quälereien denken zu müssen. Sie hätte schreien können! Sie, die so stolz darauf gewesen war, nie ein unbedachtes Wort zu sagen. Wynter hätte nur gelacht, hätte er gewusst, wie viel sie sich auf ihre Vorsicht einbildete und ihr erklärt, dass die Laute, die sie beim Liebesspiel produzierte, beileibe keine Worte waren, sondern purer Ausdruck von Emotionen.
Aber das war nicht das Problem. Er sollte ihre Gefühle besser überhaupt nicht mitbekommen. Hatte eine Frau, sogar wenn sie mit sich allein war, denn kein Recht auf Ruhe?
Augenscheinlich nicht. Auch heute Nacht ging ihr Wynter nicht aus dem Kopf.
Ein Krachen auf dem Balkon ließ sie hochfahren. Metall auf Holz. Sie reckte sich und erkannte auf den Planken des Balkons einen Enterhaken, der an einem Seil über die Brüstung hing.
Wynter. Wynter hatte vor, das Tau hinaufzuklettern, um in ihr Schlafzimmer zu gelangen.
Ihr Herz raste, wie immer, wenn Wynter in der Nähe war. Gütiger Himmel, wollte er sie etwa vergewaltigen? Oder war das wieder einer von seinen aufreizenden Tricks? Allein der Gedanke ließ sie schon feucht werden und sie presste ihre Beine fest zusammen. Sie war von seiner Nähe abhängig, so wie er es ihr angedroht hatte, und würde klein beigeben, sobald sie verheiratet waren.
Aber jetzt wollte sie allein sein.
Der Enterhaken ruckelte über den Boden des Balkons, wurde ein wenig hochgezogen und verfing sich in der Balustrade. Noch ein heftiger Ruck, um den Haken zu fixieren – und mit Gequietsche und dem lauten Krachen splitternden Holzes brach die Brüstung herunter.
Charlotte starrte einen entsetzten Sekundenbruchteil lang auf das Loch, wo einst die Balustrade gewesen war. Dann folgte ein befriedigender Schlag, das Prasseln der Splitter und ein sehr prägnanter Fluch.
Sie legte sich wieder hin, hoffte, dass Wynter nicht allzu verletzt war und schlief, wie sie seit zwei Wochen nicht mehr geschlafen hatte.
Kapitel 24
»Und ich sage Ihnen, Mylady, wenn ich diese weiße Gestalt nicht selbst gehört und gesehen hätte, wie sie im Korridor auf mich zukam, hätte ich das Ganze auch für das hysterische Hirngespinst eines jungen Mädchens gehalten.« Miss Symes fingerte nervös an den Fransen ihres Wolltuchs herum.
Ein schlechtes Zeichen, denn Miss Symes war eine recht praktisch veranlagte Frau. Aber der Geist hatte ihr ganz offensichtlich Angst gemacht. »Liebe Symes, ich zweifle ja gar nicht an Ihren Worten, aber ich muss doch sagen, dass wir, während der Hochzeitsvorbereitungen, einfach keine Geistererscheinung brauchen können. Die Näherin wäre
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