Rebellische Herzen
Beduine, wenn er eine Frau aus einem anderen Stamm begehrt, diese Frau in die Wüste entführt und bei sich behält, bis er ihren Protest, mit der Glut seiner Leidenschaft, zum Verstummen gebracht hat. Es ist in Arabien allgemein bekannt, dass dies die wahren Liebesehen sind, weil die Frau von der Kühnheit und Hingabe ihres Mannes so hingerissen ist.«
»Nur, dass es inakzeptabel ist, junger Mann.«
»Nein. Ein Leben lang unglücklich zu sein, ist inakzeptabel.« Kein Wunder, dass Adorna Bucknell nicht heiraten wollte! Ein Beduine hätte einer Frau nie so wankelmütig den Hof gemacht, was nichts anderes bedeutete, als dass die fade, englische Brautwerbung ineffizient war. »Das einzig Vernünftige ist, zur Tat zu schreiten, um Ihrer beider Glück zu sichern.«
»Ihre Mutter spricht auf solche Barbarei nicht an.«
»Meine Mutter liebt wagemutige Männer, aber es scheint, sie ist nicht in der Lage, den Unterschied zwischen purem Verlangen und wahrer Liebe zu erkennen. Doch würden Wagemut und Liebe zusammentreffen, ritte sie mit ihrem Kidnapper in jede Wüste.« Wynter runzelte die Stirn, als sei ihm gerade ein neuer Gedanke gekommen. »Meine Mutter zieht die Männer an, wie eine Blume die Bienen. Erstaunlich, dass sie noch keiner entführt hat.«
»Engländer entführen ihre Bräute nicht.«
Aber Bucknell klang bereits, als müsse er sich das selber einreden. Wynter hatte jedenfalls getan, was er konnte. »Es ist natürlich Ihre Entscheidung, Lord Bucknell … Sie haben jedenfalls meine Erlaubnis, meine Mutter zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu entführen.«
Die Hochzeit war eine Tortur gewesen.
Wynter war so aufdringlich gewesen, sich ganz nah an Charlotte zu lehnen, als sie ihr Gelübde flüsterte. Dann hatte er das seine in einer Lautstärke verkündet, die die ganze Kirche widerhallen ließ. Der Empfang war genauso furchtbar gewesen. Die Gäste hatten erstaunliche Mengen an Essen und Alkohol zu sich genommen und mit dem Alkohol schwand auch die allgemeine Zurückhaltung. Man war offen über Charlottes unrühmlichen Korb für Lord Howard hergezogen und hatte Vergleiche zum jetzigen Skandal mit Wynter hergestellt. Wie nicht anders zu erwarten, verschonten sie dabei Lord Howard, der sie sturzbetrunken und bedrohlich anstarrte, und Wynter, der seit über einer halben Stunde verschwunden war. Sie hatten stattdessen ihr jede einzelne ihrer Sünden um die Ohren geschlagen und sie, Miss Priss, durfte nicht so markig zurückschlagen, wie sie es gerne getan hätte. Sie musste höflich sitzen bleiben und die geistlosen Bemerkungen ihrer Gäste mit einem Lächeln quittieren.
»Da kommt der Bräutigam. Wurde aber auch langsam Zeit, dass er auftaucht.« Mr. Read blinzelte durch die eigene Alkoholfahne. »Oh, oh.«
»Was stimmt denn nicht?«, fragte Stewart.
»Er hat zwei Frauen dabei«, antwortete Mr. Read.
Mr. Read war ein ganz widerwärtiger Mann, der eine Kopfnuss verdient hatte.
Cousin Stewart kicherte leise. »Wenn ich eines weiß, dann dass Wynter ein redlicher Mann ist. Nur ein Einfaltspinsel kann glauben, dass er sich nicht ganz der neuen Lady Ruskin verschrieben hat.«
Charlotte betrachtete die neuen Ringe an ihren Fingern. Stewart hatte Recht. Wynter hatte sich ihr verschrieben. So sehr, wie es einem Mann, dessen Herz ungerührt blieb, überhaupt möglich war. Sogar Tante Piper hatte es besser getroffen, auch wenn sie dafür erst mal fünfunddreißig Jahre mit Onkel Porterbridge hatte zusammenleben müssen.
»Charlotte, schau dir deine Überraschung an!« Wynter klang so stolz wie Leila, wenn sie Charlotte einen Strauß wilder Blumen brachte.
»Charlotte!«
Sie erkannte die Stimme, aber sie glaubte zu träumen.
»Charlotte, wir sind zu deiner Hochzeit gekommen!«
Pamela. Hannah. Charlotte schaute auf und sah ihre besten Freundinnen rechts und links an Wynters Seite. Sie halluzinierte wohl, das konnte nicht möglich sein, das war so wundervoll, dass ihr die Worte fehlten. Charlotte wollte singen und tanzen, die beiden umarmen und ihnen sagen, wie glücklich sie war, sie zu sehen.
Stattdessen brach sie in Tränen aus.
Kapitel 27
Charlotte saß vor dem Toilettentisch in ihrem alten Schlafzimmer. Pamela und Hannah hatten ihr den elfenbeinfarbenen Schleier abgenommen und die Handschuhe ausgezogen und drückten ihr feuchte Tücher an die Stirn. Das hier war kein kleiner Anflug von Wehmut, sondern ein Ausbruch der Trauer, die Charlotte in den letzten neun Jahren, oder sogar seit dem Tod ihrer Eltern,
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