Rebellische Herzen
die beiden heute ausgesehen hatten und wie gut ihr Benehmen gewesen war! Es war ihr erster offizieller Auftritt gewesen und man würde sich immer daran erinnern, wie sie sich auf der Hochzeit betragen hatten. Im Moment gaben sie gerade ihre eigene Kindergesellschaft im Spielzimmer und Charlotte war glücklich, ihnen beim Eingewöhnen geholfen zu haben und zu wissen, dass sie nie mehr Zielscheibe von Spott sein würden.
Hannah bekam den Mund nicht mehr zu. »Wenn das so ist, Charlotte, muss ich annehmen, dass du dir insgeheim wünschst, geliebt zu werden.«
»Nicht
insgeheim«,
sagte Charlotte.
»Das kannst du doch nicht wollen«, sagte Hannah. »Männer lieben nicht, wie Frauen es tun. Wenn ein Mann liebt, will er, dass du widerspruchslos tust, was er sagt, und dass du nur für ihn existierst. Das sind Autokraten der übelsten Sorte.«
»Du hast gerade Wynter beschrieben.« Charlotte unterdrückte wieder einen Schluchzer. »Und ich versichere dir, er liebt mich
nicht.«
Pamela sah Hannah irgendwie seltsam an und wandte sich an Charlotte. »Woher willst du das wissen?«
»Er hat es mir gesagt.«
»Er hat dich verführt, indem er dir sagte, er liebte dich nicht?« Pamela mühte sich ernst zu bleiben, konnte sich ein Lachen aber nicht verkneifen. »Irgendwer tickt hier nicht richtig. Möglicherweise ich?«
»Du verstehst das nicht.« Und die Lage war zu verzwickt, als dass Charlotte sie hätte erklären können. »Wie auch immer. Es spielt keine Rolle. Ich habe ihn geheiratet und meine Zukunft ist – wie Pamela schon gesagt hat – gesichert. Ich war zu oft mittellos, um das nicht schätzen zu können.« Dann kam ihr ein Gedanke. »Was wird jetzt bloß aus der Schule für Gouvernanten?«
»Wir haben auf der Fahrt darüber gesprochen.«
Pamela stand auf und erklärte mit gespieltem Ernst: »Wir entlassen dich aus der Geschäftsführung.«
»Dann kann ich nicht zurückkommen und Gouvernanten ausbilden?« Charlotte zog ein langes Gesicht.
»Aber wir wollen dich als Kundin haben.« Auch Hannah erhob sich.
»Das könnte mir gefallen.«
»Du wirst für deine Stiefkinder eine neue Gouvernante brauchen«, sagte Pamela. »Und wir kennen da ein Institut, das exzellente Kräfte vermittelt.«
Der ständige Wechsel zwischen Lachen und Weinen brachte Charlottes Nervenkostüm vollends durcheinander.
»Wir werden für Robbie auch bald einen Hauslehrer brauchen. Könnt ihr das übernehmen?«
»Natürlich«, sagte Hannah glücklich. »Mit deiner Hilfe sehe ich eine Menge Arbeit auf uns zukommen.«
»Und so wie Lord Ruskin sie ansieht, wird sie innerhalb eines Jahres eine Kinderschwester brauchen«, sagte Pamela sanft.
Dass eine von ihnen Mutter werden könnte, verwirrte die drei doch sehr.
Charlotte konnte sich kaum vorstellen, ein Kind im Bauch zu tragen.
»Charlotte, nun freu dich doch«, bettelte Pamela.
»Verlange doch nicht zu viel«, setzte Hannah hinzu. »Du hast seinen Namen und sein Vermögen. Du sagst, er ist herzensgut, und die Kinder lieben dich. Begnüge dich damit.«
So gesehen, hatte sie Recht. Aber – Ach kann nicht. Ich will alles haben.«
»Ja, natürlich.« Pamela umarmte sie. »Und du wirst es kriegen. Du bist stark.«
»Das ist sie.« Hannah machte sich Sorgen, aber sie umarmte und drückte die beiden. Dann sagte sie: »Pamela, wir sollten gehen, den Empfang genießen und Charlotte sich zurechtmachen lassen.«
»Ich gehe nicht mehr nach unten«, sagte Charlotte. »Ich werde hier bleiben. Die ganze Nacht.« Sie sah, wie Hannah und Pamela einander anschauten und hob schnell die Hand. »Versucht gar nicht erst, mich umzustimmen. Ich weiß, was ich tue.«
»Hast du keine Angst, dass Lord Ruskin sich eine andere sucht?«, fragte Pamela.
»Nein.« Da war Charlotte sicher.
Hannah sagte: »Hast du keine Angst, er -«
»Ich habe überhaupt keine Angst, was ihn angeht.«
Die Freundinnen nickten und stolperten zur Tür, als könnten sie nicht erwarten, hinauszukommen. Charlotte war anscheinend die Einzige, die der mysteriöse Wynter nicht einschüchterte.
Sie drehte sofort den Schlüssel herum, als die beiden draußen waren. Die schwere Tür war aus massiver Eiche, Beschläge und Schloss aus robustem Eisen. Hier drinnen war sie sicher.
Nachdem sie sich ausgeweint hatte, war sie ruhig und entschlossen. Sie war verheiratet. Sie hatte in der Sache keine Wahl gehabt. Und mochte Wynter auch noch so verführerisch sein, auf sie einreden und auf sein Recht pochen, sie würde ihn nicht in ihr Bett
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