Rebellische Herzen
zu unterrichten, und sie behindern mich dabei. Wenn wir zu keinem Kompromiss -«
»Ich mache keine Kompromisse«, erklärte er rundheraus.
»Ah.« Charlotte schob wie gegen ihren Willen ihren Stuhl zurück und warf die Serviette auf den Tisch. »Dann habe ich keinen Grund länger zu bleiben. Ich verabschiede mich von Ihnen und wünsche Ihnen viel Glück bei der Suche nach einer Gouvernante, die Ihren Vorstellungen entspricht.«
Mit einem Schwung, den sogar Lady Ruskin bewundert hätte, machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon.
Kapitel 8
Charlotte schaffte es bis zur Treppe, blieb stehen und legte die Hand auf den geschnitzten Pfosten. Wie bloß Hannah und Pamela erklären? Sie hatte wegen dieses Mannes und seiner … seiner … Bärbeißigkeit die Geduld verloren, ihren gesunden Menschenverstand, ihren Gleichmut.
Es war nicht sein Charme, der sie so arg mitgenommen hatte.
Nicht, dass das eine Rolle spielte. Gleichgültig, welche Provokation, sie hatte noch nie einen derartigen Eklat verursacht. Und das auch noch vor den Kindern! Wenn Miss Priss sich schon selbst so kriegerisch benahm, konnte man es ihnen kaum verdenken, dass sie glaubten, sie dürften sich genauso verhalten.
Aber genau das durften sie eben nicht. Charlotte lag nachts lange wach und machte sich Gedanken, wie man die Kinder erfolgreich in die englische Gesellschaft integrieren konnte. Sie selbst würde nicht mehr da sein, um sie anzuleiten und war zudem ein schlechtes Vorbild gewesen. Sie hatte das Vertrauen, das die Kinder in sie setzten, missbraucht.
Doch das war ja noch nicht alles. Wie konnte sie sich nur so weit vergessen, dass sie ihre dringend benötigte Stelle hinwarf? Sie hatte ihren hervorragenden Ruf beschädigt. Sie hatte Adorna belogen, als sie ihr einen Erfolg garantierte. Sie hatte die hundert Pfund Vermittlungsgebühr verloren und das Unternehmen ihrer Freundinnen gefährdet.
Charlotte umklammerte den Pfosten so fest, dass ihr die Kanten in die Handfläche schnitten. Mit der anderen Hand zog sie ein Taschentuch aus dem Ärmel und wischte damit über ihre feuchten Augen. Sie hasste es, wenn sie sich wie eine Närrin benahm, egal aus welchem Grund. Aber ausgerechnet wegen eines Mannes! Ach, das war die allergrößte Demütigung.
Die Terrassentür schlug so heftig zu, dass die Fenster zitterten. Charlotte stopfte ihr Taschentuch zurück in den Ärmel. Absätze klackten eilends über den Holzboden. Leila. Oder Robbie. Der Gedanke daran, dass eines der Kinder sie in diesem Zustand sehen könnte, ließ sie weiter die Treppe hinaufgehen, mit gebührender Haltung, wie sie hoffte. Sie wollte nicht, dass jemand sie weinen sah.
Aber Leila rief: »Lady Miss Charlotte. Kommen Sie sofort! Sie müssen kommen und sich das anschauen.«
Charlotte drehte sich nicht um. Sie sagte über die Schulter: »Ich kann nicht, Leila. Ich muss packen.«
Leila hatte keinen Sinn für eine subtile Vorgehensweise und schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Sie rannte die Treppe hinauf und griff nach Charlottes Hand. »Sie müssen kommen! jetzt!«
Charlotte blickte das Kind an, das sich an sie klammerte. Hoffnung und Angst leuchteten in dem schmalen Gesicht und in Charlottes Brust zog sich etwas zusammen. Sie wollte Leila nicht verlassen. Leila war wie ein junger Rosenstock, der gestützt und gestutzt werden musste, damit er eines Tages den Mittelpunkt des Gartens bilden konnte, und Charlotte wusste, dass keine andere Gouvernante auf die Bedürfnisse des Mädchens so feinfühlig eingehen würde wie sie. Sie machte einige Schritte nach unten.
Nein. Diesem Gorilla Wynter würde sie nicht nachgeben. Sie blieb wieder stehen.
»Kommen Sie doch!« Für ein kleines Kind war Leila bemerkenswert unnachgiebig. Charlotte ließ sich mitschleifen. Sie kämpfte mit sich selbst. Sie wollte nicht wirklich abreisen, aber wie sollte sie Wynter gegenübertreten? Er würde sie im Sonnenschein sehen und wissen, dass er sie zum Weinen gebracht hatte.
Die Terrassentür rückte bedrohlich näher. Die sonnige Veranda zeichnete sich hinter den Sprossenfenstern ab und Leila musste Charlottes erneuten Widerwillen gespürt haben, denn sie rief aufgeregt: »Schauen Sie!«
Also gut. Charlotte schaute. Dann hob sie trotzig den Kopf.
Da saß er, die Serviette auf dem Schoß, mit vorgerecktem Kinn und verschränkten Armen und starrte geradeaus. Unduldsam, als sei es ihre Schuld, fragte er: »Nun, Miss Dalrumple? Wollen Sie davonlaufen oder werden Sie bleiben und uns
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