Rebellische Herzen
stellen Sie hierhin und je einen Kerzenleuchter auf die Tische neben dem Sofa, damit ich gut sehe.«
Seit sie das ehrwürdige Alter von vierzig Jahren überschritten hatte, bemerkte sie ein Nachlassen ihrer Sehkraft. Gutes Licht half ihr, von den Gesichtern ihrer Besucher die viel sagenden Zeichen von Unbehagen oder Freude abzulesen. Jede Situation in ihrem Leben steuerte sie anhand dieser Zeichen.
Sie legte die Stirn in Falten als sie an Lord Bucknell dachte. Er hatte sich als äußerst irritierende Herausforderung erwiesen. Er war immer anwesend, aber für ihre Avancen unempfänglich. Doch sie war diesem Spiel gewachsen. Der Mann, der ihr widerstehen konnte, war noch nicht geboren.
»Stellen Sie eine Brandykaraffe und eine mit Ratafia auf den Beistelltisch.« Sie genoss den Anblick der goldenen Flüssigkeit hinter glitzerndem Kristall. Dann entdeckte sie ein leeres Glas mit einem Fingerabdruck.
Sie gab es Miss Symes, die es an einen der Diener weiterreichte. »So etwas ist in meinem Salon nicht akzeptabel!«
Der Diener drückte das Glas an seine Brust und eilte davon.
Adorna hatte in ihrem Leben immer nur dann Schwierigkeiten gehabt, wenn sie mal nicht auf ihren Instinkt gehört hatte.
Sie befand sich momentan mit dem Familienunternehmen in einer misslichen Lage, aber wie ihre Tante Jane stets zu sagen pflegte: Sünder kamen nicht zur Ruhe.
Das sagte sie normalerweise über Ransom, ihren Mann, und der erwiderte stets: »Dann musst du sehr sündhaft sein, meine Liebe.«
Adorna hatte eine gute Tat vollbracht, als sie die beiden verkuppelt hatte.
Der Diener kam mit einem frischen Glas, das Symes gutgeheißen hatte, und einem Teller voll Mandelbiskuits zurück, die Wynter gütlich stimmen sollten. Etwas so Schlichtes wie Essen würde bei Charlotte natürlich keine Wirkung zeigen. Aber Männer wurden meist von ihrem Magen und ihren Eitelkeiten gesteuert. Frauen waren komplexer und weniger von körperlichen Trieben gelenkt. Wenn Adorna richtig riet, wurde Charlotte
nie
von etwas Körperlichem geleitet. Adorna würde sich zum einen auf die schleichende Wirkung des Alkohols verlassen müssen. Zum anderen würde sich Charlotte, mit ihrem unerschütterlichen Anstand, Adornas Bitte nicht widersetzen können.
Miss Symes faltete die Hände über ihrem umfangreichen Bauch. »Wäre das dann alles, Mylady?«
Adorna warf einen prüfenden Blick auf das Arrangement. »Das wäre alles.« Sie lächelte jeden ihrer Diener an. »Sie haben mir eine große Freude gemacht.«
Die Diener erröteten wie vorgesehen, sogar der alte Sanderford, der schon lange vor ihrer Zeit ihrem Mann gedient hatte. Miss Symes, die liebenswürdige Tyrannin, lächelte zurück.
»Oh, und Wynter wird eine Tasse von diesem Kaffee haben wollen, den er so liebt.« Adorna verzog das Gesicht. Sie verstand nicht, weshalb sich Wynter einem gelegentlichen Tropfen verweigerte. Weine und Spirituosen interessierten ihn nicht. »Bringen Sie den Kaffee, sobald Lord Ruskin hier ist.«
»Wie Sie wünschen, Mylady«, antwortete Miss Symes.
Die Diener verbeugten sich und ließen Adorna allein. Sie setzte sich, nahm ein Buch und legte es auf ihren Schoß. Dann wartete sie auf die beiden Motten, um sie in den Bannkreis ihres Lichts zu locken.
Bei den meisten Menschen hatte sie damit kein Problem; sie konnte fast jedermann zu allem verleiten, ohne dass er überhaupt merkte, dass er manipuliert wurde.
Aber Wynter besaß eine Mischung aus ihrer Intuition und dem Scharfsinn seines Vaters. Sie musste vorsichtig zu Werke gehen, sonst würde er sich quer stellen.
Und nach den Vorfällen des heutigen Nachmittags würde Charlotte einen Bogen um Wynter machen wollen. Miss Symes hatte Adorna von der turbulenten Mahlzeit erzählt. Was hatte Leila geschrien?
Wir können eine neue Mama haben. Papa kann Lady Miss Charlotte heiraten!
Adorna konnte ein Kichern nicht ganz unterdrücken. Sie verwünschte das Kind für seine Offenherzigkeit, aber … sie mochte es für seine Art, seine Wünsche herauszuschreien, als genügte Lautstärke, um sie in Erfüllung gehen zu lassen! Natürlich war die Verbindung unschicklich. Es würde schwierig genug werden, Wynter in die englische Gesellschaft einzuführen. Aber dass er eine Frau mit beschädigtem Ruf heiratete … nein. Nein, Charlotte war nicht die Richtige.
Gott sei Dank schien Charlotte diese Vorstellung ohnehin abzustoßen.
Ja, Leila hatte Adornas Aufgabe erschwert, aber Adornas Plan war so plausibel, dass er einfach ausgeführt
Weitere Kostenlose Bücher