Rebellische Herzen
sich schickt.«
»Das schließt nicht ein -«
»Lady Miss Charlotte, dies hier ist meine Zufluchtsstätte. Ich habe den Teppich und die Kissen aus EI Bahar mitgebracht als kostbare Erinnerung an die Zeit dort. Ich kann beides nicht ersetzen, und ich erschaudere bei dem Gedanken, dass diese Dinge eines Tages abgenutzt und fadenscheinig sein könnten, und mir kein Erinnerungsstück an die geliebte Heimat bleibt.«
Seine weiche, volle Stimme klang gleichzeitig lyrisch und vorwurfsvoll. Sie wurde den Verdacht nicht los, dass er sie manipulierte, aber … wie auch immer. Sie wusste, dass er EI Bahar liebte und sie vermutete, dass er es vermisste. Wenn es wirklich seine einzigen Erinnerungsstücke waren, hatte er bestimmt das Recht, sie zu bitten, ihr Möglichstes zu tun, um das leuchtende Gewebe zu schonen.
Aber die Schuhe auszuziehen … sie starrte ihn eine ganze Minute lang an, um herauszufinden, ob er nur scherzte.
Er scherzte nicht.
»Nun gut, Mylord« – sie sprach jedes Wort einzeln – »wenn ich Platz genommen habe, werde ich sie ausziehen.«
»Wie immer ehren Sie mich mit Ihrer Höflichkeit.«
Falls er über seinen Sieg lachte, so verbarg er es sehr geschickt, denn sie konnte nicht die Spur eines Zwinkerns in seinen Augen wahrnehmen, und sie glaubte, sie machte sich nur selbst verrückt, indem sie in jedem seiner Worte den versteckten Spott entdecken wollte. Klugerweise ließ sie das Thema fallen.
Der erdige Wohlgeruch gerösteten Kaffees drang in ihre Nase. Sie bemerkte eine Keramikkanne beim Kamin.
»Soll ich Ihnen eine Tasse eingießen?«
Er hielt beim Käserinde Abschälen inne. »Werden Sie sich mir wenigstens dabei anschließen?«
»Wenn Sie es möchten.« Sie zerrte ihren Samtkissenstapel zum Tisch, holte dann die Kanne und zwei Tassen, die vom Feuer angenehm erwärmt waren. Es dauerte ein wenig, bis sie ihre Röcke soweit arrangiert hatte, dass sie sich anmutig setzen konnte, wobei die Kissen weiter nachgaben als erwartet. Sie saß beinahe Wynter gegenüber auf dem Boden. Nicht direkt gegenüber – sie saß näher am Ende, er in der Mitte des Tisches – aber nur ein paar Fuß trennten sie. Sie wusste nicht, wie sie ihre Füße anordnen sollte. Ausgestreckt? Die Beine flach auf dem Boden und die Knie angezogen und zusammengepresst? jedenfalls entschied sie, dass ihre Röcke ausreichend Verhüllung boten, so dass sie sich wie er hinsetzte – mit offenen Knien und überkreuzten Beinen. Als sie endlich mit ihrer Sitzposition zufrieden war, bemerkte sie, dass er sie fasziniert beobachtete.
Er sagte weich: »Sie machen aus einem so einfachen Akt eine Darbietung.«
Es klang fast, als wolle er sie tadeln, als müsste sie wissen, wie man auf Kissen sitzt und völlig entspannt auf dem Boden lümmelt, wie er. Aber sie hatte nicht mehr auf dem Boden gesessen, seit sie zwölf war, und sie vermisste es auch nicht. Oder ihrer Mutter beim Geschichtenvorlesen zuzuhören, oder nur dazuliegen und an die Decke zu schauen und zu träumen.
»Und Ihre Schuhe?«, drängte er.
Sie beugte sich vor und schnürte ihre knöchelhohen Schuhe auf, wobei sie die Strümpfe immer vor seinen Blicken verborgen hielt, und schlüpfte schließlich heraus.
Er beobachtete, wie sie die abgetragenen schwarzen Schuhe neben ihre Kissen stellte, und mit einer Hand auf dem Herzen sagte er: »Ich danke Ihnen, Lady Miss Charlotte.«
Sie konnte nur mühsam lächeln, da sie zwischen dem Ärger über ihn und der Erleichterung schwankte, endlich das kneifende Lederzeug los geworden zu sein. Mit ruhiger Hand goss sie Kaffee in die zierlichen Tassen ein und reichte ihm seine. »Ich bin sicher, Ihr Tag in London verlief gut.«
Er schnitt den Käse mit einem Messer, das dem ähnelte, das sie Robbie geschenkt hatte, nur war die Klinge länger, gebogen, und die scharfe Schneide funkelte im Licht. »London erstreckt sich weit über altes Land, ein Land, das geradezu singt von seiner Königswürde und seiner Geschichte. Die Paläste und die Kirchen erheben sich prachtvoll, ein jedes nach seiner Art, und doch stolz auf seinen jeweiligen Platz in der Stadt. Die Docks und Mietshäuser verfallen und stinken, ein faulender Unterleib, der durch Täuschung blendet.« Er nahm ein Stück Käse, betrachtete die marmorierten Adern und sagte dann nüchtern: »London spiegelt seine Bewohner wider.«
Als er sprach, war es fast wie Poesie und es war allzu wahr zwei Sünden, die ihm die elegante Gesellschaft nicht vergeben würde.
Sie hasste es, ihn zu
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