Rebellische Herzen
Dünen. Die Weiden blühen reich und fett und nähren die Bienen, das Vieh und die Pferde mit gleicher Freigebigkeit. Häuser und Ställe tupfen das Land, Wege schlängeln sich in trägen Kurven, und von überall dringt das Summen des Lebens lieblich ans Ohr.«
Er sprach ihr aus der Seele. »Ich habe es auch vor mir gesehen. In all den Jahren der Verbannung … konnte ich die Augen schließen und das Land, das ich liebte, sehen. Und wenn ich allein war, weinte ich vor Heimweh.«
Da fiel es Wynter auf: Sie sahen über seine Ländereien hinaus auf den Besitz des Earl of Porterbridge. Sie sahen auf das Land, auf dem sie aufgewachsen war.
Sie waren beide im Exil gewesen, aber er hatte seine Freiheit in vollen Zügen genossen, während sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Ein Gefängnis, das das Herz und Gemüt eines kultivierten Menschen ersticken musste.
Das muss der Grund gewesen sein, weshalb sie eine Verbindung mit Howard eingegangen war. Vielleicht konnte Wynter darüber hinwegsehen, dass sie sich nicht für ihn aufgespart hatte …
Ungeduldig wegen der Entschuldigungen, die er sich für sie ausdachte, wandte er sich von ihr ab. Ihre Schönheit brachte seinen üblicherweise klaren Kopf durcheinander. Natürlich würde sie nicht jedermann als schön bezeichnen. Sie
war
klein. Ihr Haar
war
rot. Sie hatte ein paar Sommersprossen, was manche Männer abstieß, ihm aber gut gefiel. Trotzdem war etwas an ihr, das jeden Mann anzog. Was hatte sie dem armen Tropf Howard nur angetan? Das Reizvolle an ihr, dachte Wynter, war diese unbestimmbare Ausstrahlung von Unschuld.
Er drehte sich wieder zu ihr. Mit zusammengekniffenen Augen sah er ihre Umrisse vor dem Himmel. Ihr Schleier flatterte im Westwind. Wie konnte er sich in ihrer Unschuld getäuscht haben? Wie konnte er sich überhaupt getäuscht haben?
»Sagen Sie«, befahl er ihr mit einer Stimme, die Fleisch hätte schneiden können.
Sie würde ihn nicht für dumm verkaufen, und er fragte sich, ob sie ihn überhaupt wieder wahrnahm oder bemerkte, dass er am Rande eines Wutausbruchs stand.
Sie tat verdammt gut daran, ihn jetzt endlich zur Kenntnis zu nehmen.
»Lord Howard war der Mann, den ich heiraten sollte, wenn es nach meinem Onkel gegangen wäre.«
»Nein.« Er leugnete es instinktiv und verwirrt. »Howard. Sie haben Howard geliebt?«
Charlotte starrte ihn an. Ihr täuschend süßes Gesicht war von diesem grässlichen Hut umrahmt. »Wovon reden Sie? Ich habe Lord Howard nie geliebt. Ich hätte ihn heiraten sollen.«
»Aber Sie haben ihn geliebt. Sie haben ihn auf der Straße angesehen. Er hat sie voller Begehren angesehen. Sie waren kalt zu ihm, aber ihr Schmerz hat sich bei diesem Treffen gezeigt. Es muss Liebe gewesen sein, oder -« Er unterbrach sich gerade noch rechtzeitig.
Sie lachte. Sie lachte nicht oft, und dieses Lachen war weder unschuldig, noch leicht oder freudig. Es war das Lachen einer Frau über einen törichten Mann. Über ihn. »Ich habe Howard nicht geheiratet, weil ich fand, dass er ein fader, schwacher Narr ist. Er dachte, er sei etwas Besseres als ich, weil er einen Titel und ein Erbe zu erwarten hatte. Ich hielt es für wahrscheinlich, dass er das Erbe verjubeln würde. Soviel ich gehört habe, ist das richtig.«
»Ja, stimmt.«
»Er ist mit meiner Ablehnung nicht fertig geworden. Nachdem ich mich geweigert hatte, hat er mich geküsst. In der Öffentlichkeit. Vor den Augen aller.« Charlotte sah angewidert aus. »Er wollte mich als sein Eigentum markieren, um mich umzustimmen. Ich ließ mich nicht umstimmen, obwohl sich viele von mir abwandten, als sei ich ein gefallenes Mädchen.«
»Aber das sind Sie nicht.«
»Wenn mich ein schmallippiger Kuss nicht dazu macht.«
Wynter entspannte sich. Er war von ihrem Geständnis unendlich erleichtert, aber immer noch verwirrt. »Doch Sie trauern immer noch.« Trauer. ja. Die Kummerfalten begannen wieder ihre zarte Haut zu martern.
»Ich trauere nicht um Lord Howard. Ich trauere, weil …« Sie sah wieder auf die Landschaft hinaus, um die Tränen in ihren Augen zu verbergen. »Heute habe ich den Weg gesehen, den ich hätte nehmen können. Mit ihm verheiratet zu sein, wäre … erträglich gewesen. Frauen müssen seit jeher Schlimmeres erdulden. Immerhin hätte er mich niemals geschlagen, und seit ich ihn abgewiesen habe, bin ich vielfach gönnerhafter behandelt worden, als er es je vermocht hätte. Wenn ich ihn geheiratet hätte, hätte ich …« Sie schluckte. »Ich dachte
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