Rebellische Herzen
Stadt verlassen hast.«
Adorna legte eine Hand auf Charlottes Arm. »Ihr Unterricht tut seine Wirkung, Charlotte. Er war so charmant, dass ganz London ihn kennen lernen möchte, besonders die Damen. Mein Postfach quillt vor Einladungen über.«
Charlotte wusste ohne weiteres, dass Adorna die perfekte Frau für ihn suchte. Hätte Adorna nur gewusst, dass Charlotte dieses Vorhaben von ganzem Herzen unterstützte. »Dann sollte er morgen besser nach London fahren.«
»Diese Leute und das, was sie wollen, interessieren mich nicht, Mutter.« Wynters Stimme klang hart. »Aber ich werde wegen der Geschäfte fahren.«
Charlotte hielt den Zeitpunkt für geeignet, sich zurückzuziehen und murmelte: »Wenn Sie mich bitte entschuldigen. ich muss jetzt nach den Kindern sehen.«
Im Haus tastete sie sich vorsichtig voran, während ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Da hörte sie ihren Namen aus der Galerie.
»Charlotte!« Lord Howard fing sie ab.
Der Heimweg war so friedlich gewesen, dass sie seine mögliche Anwesenheit völlig vergessen hatte. Nun wünschte sie, sie hätte den Raum zügig durchquert, und wäre dieser zweifellos unangenehmen Begegnung entgangen. »Mylord, Sie haben hergefunden. Ich hoffe, man hat Ihnen Erfrischungen gereicht?«
»Ja, vielen Dank, aber ich bin hier, um -«
Zum Teufel mit der Höflichkeit. Sie unterbrach ihn. »Ihren Kindern auch? Und sind sie ins Klassenzimmer gebracht worden?«
»Ja, danke, sie spielen oben und ich habe darauf gewartet -«
»Dann sollte ich sofort nach ihnen sehen. Kinder bedürfen der ständigen Aufsicht, Mylord, und ich schätze meine Stellung als Gouvernante.« Sie knickste.
»Du könntest doch unter mir eine Stellung einnehmen.« Er sah sie mit großen, traurigen Augen an, und sein Tonfall war der eines Bittstellers. »Ich könnte dich glücklich machen.«
Sie wich vor ihm zurück, vor der Andeutung, sie zu seiner Geliebten zu machen. Früher war er gut aussehend. Er hatte sich so viel auf seine Abstammung, seinen Titel und seine Vornehmheit eingebildet, dass sie sich immer schon über ihn geärgert hatte, bevor er den Mund aufgemacht hatte. Heute war sein Gesicht vom Alkohol gezeichnet, irgendein großes Unglück hatte seine Überheblichkeit nachhaltig erschüttert und sie empfand nichts mehr für ihn als Mitleid.
»Danke, aber ich bin in meiner gegenwärtigen Stellung sehr zufrieden.«
Er setzte ihr nach. »Es ist mir ernst. Ich stelle dich ein, als Gouvernante, meine ich. Für meine Töchter.«
Sie wünschte fast, er würde immer noch posieren und stolzieren. Sie hätte es dieser Armseligkeit vorgezogen. Wie grauenhaft musste seine Ehe sein, dass er ein solches Anerbieten vortrug, obwohl er vor neun Jahren in einer hässlichen Szene geschworen hatte, nie wieder ein Wort mit ihr zu sprechen.
»Ich werde auf Ihr Angebot zurückkommen, falls sich meine Situation hier ändern sollte.« Sie lief die Treppen hinauf. Sie wusste, dass er ihr nachsah und wollte nichts, als dem Mann, den sie für ihre Drangsal verantwortlich machte, zu entkommen.
Da sie ihn jetzt noch einmal gesehen hatte, war ihr klar geworden, wie sehr sie im Unrecht gewesen war; die Entschlossenheit ihres Onkels, sie ohne Bedenkzeit und Mitgift zu verheiraten und ihr starrköpfiger Widerstand waren die Ursache für das folgende Unglück gewesen.
Als sie außer Sicht war, entspannte sie sich. Und sie stellte fest, dass nicht einmal diese beunruhigende Szene sie erschüttern konnte. Seltsam, aber die vergangenen Tage waren so grauenhaft gewesen – und alles wegen Wynter – und nun tröstete Wynters vornehme Rücksicht sie. Und wie hatte er das gemacht? Er hatte sie einfach fest gehalten, ohne räuberische Absichten, nur … fest gehalten. Für einen kurzen Augenblick hatte er seine Arroganz und seine aufdringliche Entschlossenheit fallen lassen und war nur … nett gewesen. Sehr nett. Sogar der Kuss war nett, und wenn ihr der Hut nicht heruntergefallen wäre …
Na ja, das machte nichts, schimpfte sie sich selbst brüsk.
Sie hatte den Kuss nicht wirklich erwidert und konnte nicht wirklich der Verführung bezichtigt werden.
Als sie die Tür zum Klassenzimmer öffnete, begrüßte Leila sie mit einem Freudenschrei und Robbie bettelte sie an, ihn vor dem Einmarsch weiblicher Truppen zu retten.
Sie entspannte sich und kehrte zur Normalität zurück.
Lord Howard rief seine Töchter nicht unverzüglich, deshalb veranstaltete Charlotte, nachdem sie mit der Zeichenlehrerin gesprochen
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