Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
lehnte sich an Davidsons Schreibtisch. »Wenn wir ihn nicht aufhalten, geht Tommy Telford auf die Matratzen.«
>»Wir‹?«
»Ich möchte, dass Sie eine Spritztour mit mir machen.«
Shug Davidson war mit einer verständnisvollen Frau glücklich verheiratet und hatte Kinder, die ihn nicht so häufig zu Gesicht bekamen, wie sie es verdient hätten. Ein Jahr zuvor hatte er vierzig Riesen in der Lotterie gewonnen und jedem auf seiner Wache einen ausgegeben. Der Rest des Geldes war auf die hohe Kante gelegt worden.
Rebus hatte schon früher mal mit ihm zusammengearbeitet. Er war kein schlechter Bulle, höchstens ein bisschen phantasielos. Sie mussten die Brandstelle umfahren. Knapp zwei Kilometer weiter bat Rebus ihn zu halten.
»Was ist hier?«, fragte Davidson.
»Das will ich ja gerade von Ihnen wissen.« Rebus sah hinüber zum Backsteingebäude, das Tommy Telford so interessierte.
»Das da ist Maclean's«, erklärte Davidson.
»Und was bitte ist Maclean's?«
Davidsons lächelte. »Das wissen Sie wirklich nicht?« Er öffnete die Tür des Autos. »Kommen Sie mit, ich zeig's Ihnen.«
Am Haupteingang mussten sie sich ausweisen. Rebus bemerkte jede Menge - wenngleich unauffällige - Sicherheitseinrichtungen: An den Ecken des Gebäudes waren Videokameras angebracht, die jeden möglichen Zugangsweg überwachten. Ein Telefonanruf, und ein Mann in weißem Kittel kam herunter, um sie in Empfang zu nehmen. Man steckte ihnen Besucherausweise ans Jackett, und die Führung konnte beginnen.
»Ich bin schon mal hier gewesen«, vertraute ihm Davidson an. »Wenn Sie mich fragen, ist das das bestgehütete Geheimnis in der ganzen Stadt.«
Sie stiegen Treppen hinauf, gingen Korridore entlang. Überall Sicherheitsvorkehrungen: Wachpersonal überprüfte ihre Ausweise; Türen mussten aufgeschlossen werden; Kameras zeichneten jeden ihrer Schritte auf. Was Rebus wunderte, denn von außen sah das Gebäude wirklich unscheinbar aus. Und innen passierte auch nichts weiter Aufsehenerregendes .
»Was ist das hier, Fort Knox?«, fragte Rebus. Dann aber reichte ihnen ihr Führer weiße Kittel, die sie anziehen sollten, ehe er die Tür zu einem Labor öffnete - und Rebus begann zu begreifen.
Leute arbeiteten mit Chemikalien, betrachteten Reagenzgläser, machten sich Notizen. Es standen alle möglichen seltsamen Apparate herum, aber im Prinzip war das ein Chemielabor wie in der Schule, nur ein wenig größer.
»Willkommen«, sagte Davidson, »in der größten Drogenküche der Welt.«
Was nicht ganz korrekt war, denn wie der Führer erklärte, war Maclean's lediglich der weltgrößte legale Produzent von Heroin und Kokain.
»Wir haben eine Lizenz von der Regierung. 1961 wurde ein internationales Abkommen getroffen: Jeder Staat der Welt durfte lediglich eine Fabrik haben, und wir sind die für Großbritannien.«
»Und was stellen Sie nun her?« Rebus starrte auf die Reihen abgeschlossener Kühlschränke.
»Alles Mögliche: Methadon für Heroinabhängige, Pethidin für Frauen in den Wehen. Diamorphin zur Schmerzlinderung bei unheilbaren Krankheiten und Kokain für verschiedene medizinische Anwendungen. Angefangen hat die Firma damit, dass sie Königin Victorias Untertanen mit Laudanum versorgte.«
»Und heutzutage?«
»Wir produzieren jährlich um die siebzig Tonnen Opiate«, erklärte der Führer. »Und reines Kokain im Wert von rund zwei Millionen Pfund.«
Rebus rieb sich die Stirn. »Allmählich begreife ich, warum Sie es mit der Sicherheit so genau nehmen.« Der Mann lächelte. »Das Verteidigungsministerium lässt sich von uns beraten -so gut sind unsere Sicherheitssysteme.«
»Keine Einbrüche?«
»Ein paar Versuche, nichts, womit wir nicht selbst fertig geworden wären.«
Klar , dachte Rebus, aber ihr hattet es ja auch nicht mit Tommy Telford und der Yakuza zu tun... noch nicht .
Rebus schlenderte durch das Labor, lächelte und nickte einer Frau zu, die untätig herumzustehen schien.
»Wer ist das?«, fragte er den Führer.
»Unsere Krankenschwester. Sie steht auf Abruf bereit.«
»Wozu?«
Der Führer deutete mit einer Kopfbewegung auf einen Mann, der eine der Maschinen bediente. »Etorphin«, sagte er. »Vierzigtausend Pfund das Kilo und äußerst wirksam. Die Schwester hat das Gegengift, für alle Fälle.«
»Und wozu benutzt man dieses Etorphin?«
»Um Nashörner zu betäuben«, sagte der Führer, als verstehe sich das eigentlich von selbst.
Das Kokain wurde aus Kokablättern gewonnen, die man aus Peru bezog. Das
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