Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
streichen, oder aber durch Übertragung. Übertragung ist die häufigere Strategie.«
»Sie reden sich ein, jemand anders hätte es getan?.«
»Ja.«
»Und das war also Lintz' Geschichte?«
»Noch unglaubwürdiger als alles andere. Er sagte, es sei alles nur eine Verwechslung.«
»Und mit wem meinte er, dass Sie ihn verwechselten?«
»Mit einem Kollegen an der Universität... einem Dr. Colquhoun.« Rebus rief Hogan an, gab ihm die Neuigkeiten durch.
»Ich hab Levy gesagt, dass Sie sich wahrscheinlich bei ihm melden würden.«
»Ich rufe ihn gleich an.«
»Was halten Sie von der Geschichte?«
»Colquhoun ein Kriegsverbrecher?« Hogan schnaubte verächtlich.
»Meine ich auch«, sagte Rebus. »Ich hab Levy gefragt, warum er es nicht für nötig gehalten hatte, uns das mitzuteilen.«
»Und?«
»Da er selbst nicht daran glaubte, hielt er es für unnötig.«
»Trotzdem sollten wir uns noch einmal mit Colquhoun unterhalten. Heute Abend.«
»Heute Abend habe ich was anderes vor, Bobby.«
»Ihr gutes Recht, John. Hören Sie, ich bin Ihnen wirklich dankbar für all Ihre Hilfe.«
»Werden Sie also allein mit ihm reden?«
»Ich nehme jemand mit.«
Rebus mochte es nicht, ausgeschlossen zu werden. Angenommen, er sagte dieses Abendessen ab...
»Halten Sie mich auf dem Laufenden.« Rebus legte auf. Aus den Lautsprecherboxen: Eddie Harris, fröhlich und melodisch. Er legte sich in die Wanne und gönnte sich ein heißes Bad. Waschlappen auf dem Gesicht. Jeder Mensch schien in verschiedenen kleinen Schachteln zu leben und zu verschiedenen Gelegenheiten jeweils die eine oder andere zu öffnen. Niemand gab je seine vollständige Persönlichkeit preis. Bei Bullen traf das mit Sicherheit zu - jede Schachtel ein Sicherheitsmechanismus. Von den meisten Menschen, denen man im Lauf seines Lebens begegnete, erfuhr man nicht einmal den Namen. Jeder war von allen anderen abgeschottet, abgeschachtelt. Das nannte man dann »Gesellschaft«.
Er musste an Joseph Lintz denken, der ständig alles hinterfragt, jedes Gespräch in eine Philosophievorlesung verwandelt hatte. In seiner eigenen kleinen Schachtel eingeschlossen, seine Identität anderswo weggesperrt, seine Vergangenheit notwendigerweise ein Geheimnis... Joseph Lintz, wütend, wenn in die Enge getrieben, möglicherweise geistesgestört, in den Irrsinn getrieben durch... was? Erinnerungen? Oder deren Fehlen? Von anderen Menschen dahin getrieben?
Als er aus dem Badezimmer kam, lief das letzte Stück der Eddie-Harris-CD. Er zog die Sachen an, die er sich für den Abend mit Patience zurechtgelegt hatte. Vorher standen allerdings noch zwei Zwischenstopps an: im Krankenhaus, um nach Sammy zu sehen, und anschließend in Torphichen zu einer Besprechung.
»Die Bande ist vollzählig«, sagte er, als er den CID-Raum betrat.
Shug Davidson, Claverhouse, Ormiston und Siobhan Clarke saßen um den einzigen, großen Schreibtisch und tranken Kaffee aus identischen Rangers-Bechern. Rebus zog sich einen Stuhl heran.
»Haben Sie sie ins Bild gesetzt, Shug?« Davidson nickte.
»Über den Laden auch?«
»Damit wollte ich gerade anfangen.« Davidson nahm einen Stift, spielte damit herum. »Der letzte Besitzer hat dichtgemacht, nicht genug Laufkundschaft. Das Geschäft blieb fast ein Jahr lang geschlossen, dann hat es plötzlich wieder geöffnet - unter neuer Führung und mit absolut konkurrenzlosen Preisen.«
»Mit denen es auch die Mitarbeiter von Maclean's geködert hat«, fügte Rebus hinzu. »Wie lang läuft das jetzt also schon?«
»Seit fünf Wochen. Sie verkaufen alles zu Dumpingpreisen.«
»Es geht ihnen also nicht um Profit.« Rebus sah in die Runde. Letztere Bemerkung war vor allem für Ormiston und Clarke gedacht; Claverhouse hatte er schon vorher informiert.
»Und der Eigentümer?«, fragte Clarke.
»Na ja, geführt wird das Geschäft von zwei jungen Typen namens Declan Delaney und Ken Wilkinson. Und jetzt raten Sie mal, wo die her sind?«
»Paisley«, antwortete Claverhouse, der keine Zeit verlieren wollte.
»Dann gehören sie also zu Telfords Gang?«, fragte Ormiston.
»Nicht offiziell, aber sie haben ohne Frage was mit ihm zu tun.« Davidson schnäuzte sich lautstark. »Und klar, Dec und Ken führen den Laden, aber natürlich gehört er ihnen nicht.«
»Sondern Telford«, erklärte Rebus.
»Okay«, erklärte Claverhouse. »Wir wissen also, dass Telford einen Laden besitzt, der rote Zahlen schreibt, ihm aber Informationen einbringen soll.«
»Ich glaube, da steckt
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