Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
gerade, ob sein Jackett auch richtig saß, und war sich sichtlich nicht schlüssig, ob es zugeknöpft besser ausgesehen hätte. Aber seine Augen suchten die dunkle Straße ab. Rebus hatte in einiger Entfernung von den Straßenlaternen geparkt und war sicher, unsichtbar zu sein. Jetzt stiegen sie alle in die Limousine ein. Rebus beobachtete, wie sie wegfuhr und um die Ecke bog, ehe er die Scheinwerfer einschaltete und den Motor anließ. Sie fuhren zu demselben Hotel, in dem Matsumoto gewohnt hatte. Telfords Range Rover parkte davor. Passanten -Pärchen, die vom Pub nach Hause eilten - drehten sich nach der Limousine um. Sahen die Passagiere aussteigen, hielten sie wahrscheinlich für Popstars oder Leute vom Film. Rebus als Casting Director: Starlet Candice wurde vom schmierigen Produzenten Tarawicz betatscht. Telford war ein aalglatter junger Macher auf dem Weg nach oben, der möglichst viel vom Produzenten zu lernen versuchte, ehe er ihn vom Thron stieß. Die anderen waren lediglich Nebendarsteller, außer vielleicht Pretty-Boy, der ständig an den Rockschößen seines Bosses hing und sich möglicherweise auf seinen eigenen großen Durchbruch vorbereitete...
Wenn Tarawicz eine Suite bewohnte, konnten sie unter Umständen alle reinpassen. Andernfalls würden sie wohl in die Bar gehen. Rebus parkte und folgte ihnen ins Hotel.
Das Licht tat ihm in den Augen weh. Der Rezeptionsbereich war ganz in Spiegelglas und Kiefer, Messing und Topfpflanzen gehalten. Er versuchte den Eindruck zu erwecken, als habe ihn die muntere Gesellschaft lediglich ein Stück abgehängt. Sie machten sich gerade in der Bar breit, die verglaste Doppeltür schwang noch hinter ihnen aus. Rebus zögerte. In der menschenleeren Rezeption würde er wie auf dem Präsentierteller sitzen; in der Bar erst recht. Rückzug ins Auto? Jemand stand gerade auf, ließ sich einen langen schwarzen Mantel von den Schultern gleiten. Candice. Lächelte jetzt, sagte etwas zu Tarawicz, der nickte. Er nahm ihre Hand und drückte ihr einen Kuss auf die Innenfläche. Arbeitete sich langsam mit der Zunge über den Handteller und weiter zum Handgelenk. Allgemeines Gelächter und Gejohle. Candice wie betäubt. Tarawicz leckte bis zu ihrer Armbeuge hinauf und biss dann hinein. Sie quiekte auf, riss sich los, rieb sich den Arm. Tarawicz ließ die Zunge heraushängen, markierte den Lustmolch. Aber das musste man Tommy Telford lassen: Er schloss sich dem allgemeinen Gefeixe nicht an.
Candice stand reglos da - eine bloße Requisite für die Nummer, die ihr Besitzer abzog. Dann entließ er sie mit einer knappen Handbewegung. Erlaubnis erhalten, wandte sie sich zur Tür. Rebus zog sich in eine Nische zurück, in der sich die öffentlichen Fernsprecher befanden. Candice bog direkt hinter der Tür ab und verschwand in der Damentoilette. In der Bar bestellten sie derweil weiteren Champagner - und einen Orangensaft für Pretty- Boy.
Rebus schaute sich um, atmete tief durch und spazierte in die Damentoilette, als sei es das Normalste von der Welt.
Sie spritzte sich gerade Wasser ins Gesicht. Neben dem Waschbecken stand ein kleines braunes Fläschchen. Drei Tabletten lagen schon bereit. Rebus fegte sie auf den Boden.
»He!« Sie drehte sich um, erkannte ihn, schlug eine Hand vor den Mund. Sie versuchte zurückzuweichen, aber sie saß in der Falle.
»Ist es das, was du willst, Dunja?« Setzte ihren wirklichen Namen wie eine Waffe ein: friendly fire .
Sie runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf, Verständnislosigkeit im Blick. Er packte sie an den Schultern, drückte.
»Sammy«, zischte er. »Sammy liegt im Krankenhaus. Sehr krank.« Er deutete in Richtung Hotelbar. »Die haben versucht, sie zu töten.«
Candice verstand mehr oder weniger, was er meinte. Sie schüttelte den Kopf. Tränen ließen ihre Mascara zerlaufen.
»Hast du Sammy irgendwas erzählt?« Sie zog erneut die Stirn in Falten.
»Irgendwas über Telford oder Tarawicz? Hast du mit Sammy über sie geredet?«
Ein langsames, entschiedenes Kopfschütteln. »Sammy... Krankenhaus?«
Er nickte. Schloss die Hände um ein imaginäres Lenkrad, machte Motorgeräusche, knallte dann mit der Faust in die offene Hand. Candice wandte sich ab, klammerte sich an das Waschbecken. Sie weinte, ihre Schultern bebten. Sie fummelte weitere Tabletten aus dem Fläschchen. Rebus riss sie ihr aus der Hand.
»Du willst dir das alles aus dem Kopf dröhnen? Vergiss es!« Er warf die Tabletten auf den Boden, zertrat sie mit dem Schuhabsatz. Sie
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