Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
Edinburgh.«
Abernethy pustete auf seinen Kaffee. »Dann haben Sie also mit ihm geredet?«
»Ja, habe ich.«
»Und?«
»Was und?«
»Hat er Ihnen seine Story von der ›Rattenlinie‹ aufgetischt?«
»Noch einmal - woher das Interesse?«
»Allen anderen hat er sie aufgetischt.«
»Und was, wenn er es getan hat?«
»Herrgott, beantworten Sie jede Frage mit einer Gegenfrage? Seitdem ich diese SoKo leite, ist der Name Levy mehr als einmal auf meinem Bildschirm erschienen. Deswegen interessiert es mich.«
»Abernethy, der gewissenhafte Bulle.«
»Genau. Also, wie ist es, statten wir Lintz einen Besuch ab?«
»Na ja, da Sie extra die lange Fahrt gemacht haben...« Auf dem Weg zurück zu seiner Wohnung hielt Rebus bei einem Zeitungsladen und kaufte den Record . Die Messerstecherei hatte sich vor Megan's Nightclub ereignet, einem neuen Etablissement in Portobello. Das Opfer war ein fünfundzwanzigjähriger »Türsteher« namens William Tennant. Auf die Titelseite hatte es die Meldung geschafft, weil ein Erstligaspieler indirekt in die Sache verwickelt gewesen war. Ein Freund, mit dem er unterwegs gewesen war, hatte ein paar kleinere Schnittwunden davongetragen. Der Täter war auf einem Motorrad entkommen. Der Fußballer hatte der Presse gegenüber keinen Kommentar abgegeben. Rebus kannte ihn. Er wohnte in Linlithgow. Ein knappes Jahr zuvor hatte man ihn in Edinburgh wegen Zuschnellfahrens erwischt und - so seine Worte - »ein klitzekleines bisschen Charlie«, das heißt Kokain, bei ihm gefunden.
»Irgendwas Interessantes?«, fragte Abernethy.
»Jemand hat einen Rausschmeißer abgestochen. Verträumtes Provinzstädtchen, hm?«
»Eine solche Story käme in London bestenfalls in die Kleinanzeigen.«
»Wie lange bleiben Sie hier?«
»Ich fahr heute wieder, ich wollte einen Abstecher nach Carlisle machen. Die sollen da noch so einen alten Nazi haben. Von da geht's nach Blackpool und Wolverhampton und erst dann wieder zurück nach London.«
»Ein Masochist, wie er im Buche steht.«
Rebus wählte die Touristenroute: die Mound entlang und über die Princes Street. Auf der Heriot Row parkte er in zweiter Reihe, aber Joseph Lintz war nicht zu Hause.
»Macht nichts«, sagte er. »Ich weiß, wo er wahrscheinlich ist.« Er fuhr die Inverleith Row entlang, bog dann nach rechts zu den Warriston Gardens ab und parkte vor dem Friedhofstor.
»Was ist er, Totengräber?« Abernethy stieg aus und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu.
»Er pflanzt Blumen.«
»Blumen? Wozu?«
»Ich weiß auch nicht genau.«
Ein Friedhof hätte ein Ort des Todes sein müssen, aber Warriston kam Rebus eher wie ein weitläufiger Park vor, in den man hier und da Plastiken hatte fallen lassen. Der neuere Teil mit seiner gepflasterten Zufahrt ging bald in einen unbefestigten Weg über, der sich zwischen Steinen mir verwitterten Inschriften hinzog. Ringsum Obeliske und keltische Kreuze, jede Menge Bäume und Vögel und die hektischen Bewegungen von Eichhörnchen. Ein Tunnel, der unter einem Fußweg verlief, führte zum ältesten Teil des Friedhofs. Aber zwischen Tunnel und Zufahrt lag das eigentliche Herz des Ortes, in dem die Vergangenheit Edinburghs zum Appell antrat: Namen wie Ovenstone, Cleugh und Flockhart und Berufe wie Aktuar, Seidenhändler, Eisenkrämer. Manche Leute waren in Indien gestorben, andere in frühester Kindheit. Ein Schild am Tor informierte die Besucher, dass das Friedhofsgelände von der Stadt Edinburgh enteignet worden sei, weil die früheren Eigentümer es hätten völlig verwahrlosen lassen. Aber gerade diese Verwahrlosung machte zumindest einen Teil seines Charmes aus. Die Leute führten hier ihre Hunde spazieren, um sich in der Kunst der Fotografie zu üben, oder sinnierten einfach nur zwischen den Grabsteinen. Schwule kamen, um Gesellschaft, andere, um Einsamkeit zu finden.
Nach Einbruch der Dunkelheit bekam der Ort natürlich ein völlig anderes Gesicht. Eine Prostituierte aus Leith - eine Frau, die Rebus gekannt und gemocht hatte - war hier erst wenige Monate zuvor ermordet aufgefunden worden. Rebus fragte sich, ob Joseph Lintz wohl davon wusste...
»Mr. Lintz?«
Er stutzte gerade das Gras um einen Grabstein mit einer kleinen Heckenschere. Als er sich mühsam aufrichtete, glänzte ein Schweißfilm auf seinem Gesicht.
»Ah, Inspector Rebus. Sie haben einen Kollegen mitgebracht?«
»Das ist DI Abernethy.«
Abernethy betrachtete den Grabstein, der einem Schulmeister namens Cosmo Merriman gehörte.
»Sie
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