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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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gedreht«, sagt Erika an einem Sonntagnachmittag und sitzt und rechnet lange.
    »Zur Kur«, sagt sie, der alte Appelt betrachtet ihren Bauch, »entschlacken und abnehmen«, sagt sie, er nickt.
    Erika geht einkaufen, bringt Zeitschriften, Bücher aus der Leihbibliothek, Wolle und Stickzeug. Sie stickt einen Hasen, einen großen braunen Feldhasen zwischen Grasbüscheln aus vier verschiedenen Grüntönen. Einen Strauß Maiglöckchen, die Schatten in Hellblau. Eine Rose auf schwarzem Grund. Wenn es dunkel ist, nimmt Erika sie am Arm, hakt sich bei ihr ein, langsam die Treppe hinunter, zu den Platanen. Im Baumschatten geht sie, zählt die Schritte von einem Ende der Promenade zum anderen, hält Abstand zu den hellen Kegeln der Laternen. Erika hat die Straßenecken fest im Blick, passt auf, ob jemand kommt, »zehn noch«, sagt sie.
    Die Türklingel schrillte, Elsa wandte sich um, auf dem Esstisch, er war gedeckt, brannte ein Teelicht, flackerte im Stövchen, der Tisch war gedeckt, als erwarte sie Besuch. Es klingelte erneut, richtig, der Junge kam, sie hatte Mohnstrudel mitgebracht, musste noch die Sahne aufschlagen.
    *
    »Salz«, wiederholte Ebba, »nur ein ganz klein wenig«, sie legte ihre Handflächen aneinander, formte eine kleine Schale mit ihnen.
    Die alte Frau blickte hinab, betrachtete die Hände, besah sie genau, als enthielten sie etwas Interessantes, und sagte nichts. Ebba krümmte die Finger, als würde sie die Schale schließen, die Wände zusammendrücken, nahm die Arme runter, Frau Stremls Augen folgten ihnen.
    »Haben Sie Salz? Nur ein ganz klein wenig?«
    Unvermittelt sah die alte Frau auf.
    »Sind Sie Ursula?«
    Ebba schüttelte den Kopf.
    »Ich wohne nebenan. Ich wollte Salz borgen.«
    »Gewiss«, Frau Streml nickte und ließ das Türblatt los, »einen Moment bitte.«
    Sie drehte sich um, ging in die Wohnung zurück, wandte sich nach rechts, dort stand eine Tür offen, die Küche, hoffte Ebba. Sie hörte, dass irgendwas abgestellt wurde, es klang nach Plastik, eine Tupperbox, dachte Ebba, sie sah die Box, in die gewissenhaft Papppaket um Papppaket umgefüllt worden war, vor sich. Ein blumenumrankter Aufkleber auf dem Deckel, Salz stand dort in akkurater Schrift. Sie hörte Wasser laufen, die Alte musste den Hahn aufgedreht haben, wusch irgendein kleines Behältnis aus, in das sie das Salz füllen wollte. Besteck stieß aneinander, wurde ins Spülbecken gelegt. Wasser schwappte, als hätte die alte Dame begonnen abzuwaschen, sie sah in den leeren Flur, machte einen Schritt vorwärts und reckte sich, nein, sie konnte nicht in die Küche sehen. Kurz überlegte sie, zu gehen.
    »Frau Streml«, sie sagte es fragend, hörte Porzellan, es stieß gegen irgendwas, die alte Frau wusch tatsächlich ab. Ebba ging in den Flur, behutsam die Füße aufsetzend, als wolle sie kein Geräusch machen. Unbefugten ist das Betreten verboten, so fühlte sie sich, unbefugt. »Frau Streml«, sagte sie erneut, um sich anzukündigen, klopfte mit dem Fingerknöchel gegen den Türrahmen. Die alte Frau wandte sich um, Spülwasser lief von ihren rosa Gummihandschuhen, tropfte auf den Boden. »Ich wohne nebenan«, sagte Ebba, »Wegen des Salzes … «
    »Wie nett«, sagte die alte Frau und lächelte.
    Auf der Arbeitsplatte lag ein längliches Paket, eingeschlagen in Bäckereipapier, eine Rührschüssel stand daneben, ein Becher Sahne mit halb abgezogenem Deckel.
    »Wie geht es Ihrem Enkel«, fragte Ebba.
    »Gut. Er kommt nachmittags, er trinkt Tee und keinen Kaffee.«
    Frau Streml sah hinab auf die Handschuhe, die nassen Flecken auf dem Linoleum, kleine Schauminseln auf ihnen. Sie zog an den Plastikfingern, löste sie mit kurzem Zupfen von der Haut, erst von der Rechten, dann von der Linken.
    »Sind Sie«, sie sah auf, hielt inne, »sind Sie Ursula?«
    Ebba schüttelte den Kopf, »und seine Freundin?«
    Elsa Streml rollte die Handschuhstulpen ihre Unterarme hinab und antwortete nicht.
    »Die Dunkelhaarige?«
    »Ich weiß nicht«, sie sah Ebba unsicher an, hängte die Handschuhe sorgfältig übereinandergelegt über den Rand der Spüle. »Wer sind Sie«, fragte sie unvermittelt.
    »Ursula«, es schien die einfachste Antwort zu sein.
    Die alte Frau nickte, legte ihre Hand, glatt fühlte sie sich an, warm vom Spülwasser und ein wenig feucht, auf Ebbas Handrücken.
    »Ich brühe uns einen Kaffee«, sagte Frau Streml.
    ***
    Ein Mann öffnete die Tür, betrat den Hausflur, er trug ein helles Shirt, dunkelblaue Shorts und sah nicht hoch zum

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