Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
einzige Quelle gab. Andererseits musste sie bei ihrer Aussage verschiedene Klippen umschiffen: Außer Händen und Gesicht würde sie kein Körperteil von mir beschreiben können (ich hatte mei nen Verteidigern schon erzählt, wie einfach man würde beweisen können, dass sie eine Ex-Garnichts war, indem man sie nach solchen Dingen fragen würde), und sie hatte nach dem erfundenen Ereignis weitergearbeitet wie eh und je. Wie üblich hatte natürlich auch sie niemandem von dem angeblichen Vorfall erzählt und mir noch Tage später eher freundliche E-Mails geschrieben, um es vorsichtig auszudrücken.
Ihrem Anwalt war diese Problematik bewusst und er (oder ein anderer) hatte deshalb wohl lange mit ihr geübt. Das konnte trotzdem nicht funktionieren, und nun hatte Schwenn die Staatsanwaltschaft genau dort, wo er sie haben wollte: in der Zwickmühle. Die Zeugin erklärte treuherzig, dass sie im Gegensatz zum vorfreudigen Gesprächsvermerk von Oberstaatsanwalt Gattner und dem wie immer unmittelbar folgenden Bericht in der Burda-Presseabteilung der Staats anwaltschaft keineswegs unmittelbar nach dem angeblichen Vorfall im Januar 2010 drei Wochen krankgeschrieben worden sei und, nein, auch nie irgendwelche Verletzungen gehabt habe, aber im Sommer, also im Sommer sei sie dann schon krank geworden. Das sei öfter so, dass so etwas viel später komme.
Dumm gelaufen: Entweder hatte Gattner die Aussage der Fotografin falsch aufgefasst und wiedergegeben, was ein Staatsanwalt ungern auf sich sitzen lässt, oder mit der Zeugin stimmte etwas nicht. Gericht und Staatsanwaltschaft entschieden sich später für die letztere Variante.
Endlich wurden Mannheimer Staatsanwaltschaft und Gericht also auf den Wissensstand der Bürgerblogs gebracht. Nach der Aussage, dass die Arbeitsunfähigkeit Monate später kam und irgendwie auch ganz anders als erwartet, folgte ein langer, traurig-entsetzter Blick von Richterin Daniela Bültmann in Richtung von Oberstaatsanwalt Gattner. Er dauerte mehr als eine Minute, und Gattner alterte an jenem Tag in Zürich um mindestens zehn Jahre. Er sowie Staatsanwalt Oltrogge und das Gericht hatten sich viel erhofft von dieser Zeugin, und nun wurden sie von ihr der Lächerlichkeit preisgegeben. Nachdem sie schon fehlerfrei ein paar Sätze aufgesagt hatte, machte sie alles kaputt, indem sie fröhlich berichtete, sie und ich hätten nach dem angeblich furchtbaren Ereignis auch noch probiert, sich mit den Autos zu berühren. Eine längere Diskussion hob an, wie man mit Autos »Eiertütschlis spielen« ins Deutsche übersetzen könnte, Oltrogge war sehr hilfsbereit mit Vorschlägen, Gattner und Bültmann schon ganz weit weg in Gedanken. Die beiden Hauptakteure auf dem Weg zu Kachelmann im Knast mussten ihr offenkundiges Herzensprojekt begraben.
Die angebliche Exgeliebte/Exfreundin hatte es vermasselt. Sie hatte es allerdings auch nicht leicht angesichts der Aufgabe, praktisch aus nichts eine Exfreundin zu machen, der dazu auch noch Schlimmes widerfahren sein musste. Die Schweizer Zeitung Der Sonntag trat dabei wie das Zentralorgan der Leute auf, die mich loshaben wollten. Es war kein schöner Tag, als die Zeugin L. nach ihrer Aussage in Focus und Bild am Sonntag auch noch in der Schweiz mit ihrer Story hausieren ging und die Schlagzeile »Kachelmann demütigte Schweizerin« im Sonntag prangte. In Wahrheit verhielt es sich genau umgekehrt, nur konnte ich mich damals leider noch nicht wehren. Wer als Angeklagter vor Gericht steht, ist vogelfrei, vor allem für die dummen Medien, die sich jede Ente auftischen ließen, ohne nachzurecherchieren – und das waren eben fast alle.
Als ich mit Johann Schwenn das Staatsanwaltschaftsgebäude in Zürich verließ, war ich einerseits beeindruckt davon, dass manchmal, sogar ganz ohne dass es je eine Beziehung gegeben hätte, das Blaue vom Himmel gelogen wurde; andererseits war mir und wohl auch dem Gericht jetzt klar, dass es die dringend benötigte Ersatzstraftat nicht mehr bekommen würde.
Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass offenbar einige Frauen fähig und in der Lage sind, auch vor Gericht zu lügen und zu betrügen, um einen/ihren Mann zu schädigen, zu kriminalisieren und aus ihrem Leben oder aus der Familie zu drängen. Es ist eine große Geduldsleistung vieler Männer, trotz ihrer Wehrlosigkeit gegenüber diesem Phä nomen nicht auszurasten, sondern einen verzweifelten und zähen Kampf für die Gerechtigkeit zu führen. Die meisten Männer ergeben sich allerdings in
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