Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
ließ mich mit Beschluss vom 29. Juli 2010 bedingungslos frei und begründete aufgrund der Aktenlage über die Falschbeschuldigerin Dinkel:
»Dadurch, dass sie auch unter Befragungsdruck ihre Falschangaben durchgehalten hat (insbes. in der Videovernehmung am 30.03.2010 und auch zunächst noch in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung am 20.04.2010), hat sie ihre Fähigkeit zur Konstruktion und Aufrecht erhaltung einer Falschaussage unter Beweis gestellt .« [Hervorhe bung JK ]
Doch die Desinformations- und Lügenkampagne von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht hatte verfangen. Man kann vermutlich nicht behaupten, dass die Stuttgarter Nachrichten sich mit mir und der Wahrheit übermäßig befasst hätten, aber sie waren sich ganz sicher und schrieben am 29. Juli 2010 über den Beschluss des Oberlandesgerichts:
»Die Entscheidung ist ein fatales Signal an alle Opfer sexueller Gewalt. Im Fall Kachelmann sprechen die objektiven Spuren, die am Tatort und Opfer zu finden waren, ziemlich klar gegen den charmanten Wettermoderator. Das Gericht hat diese objektiven Spuren einfach ignoriert. Man kann es keinem Vergewaltigungsopfer verdenken, wenn es sich nach dieser Entscheidung lieber nicht der Justiz anvertraut.«
Wahr ist: Alle objektiven Spuren belegten genau das Gegenteil, und ein Opfer ist so lange kein Opfer, bis das gerichtlich festgestellt wurde; selbst das Mannheimer Gericht hat festgehalten, dass Claudia Dinkel kein Opfer ist – aber was kümmert es die Stuttgarter Nachrichten . In meinem Fall wurden mitunter auch Dinge geschrieben, die nicht mal die Staatsanwaltschaft erlogen und dann an die Medien geleakt hat, sondern die die Medien direkt frei erfunden haben. Eine davon ist die dummdreiste Geschichte von dem besonderen Geruch, den ich angeblich ausströme, den aber nur Auserwählte riechen könnten.
»Wie die ›Bild‹ berichtet, wird gegen Kachelmann nicht nur wegen der Vergewaltigung der Ex-Freundin, sondern auch wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung ermittelt. Dem Bericht zufolge besteht der Verdacht, dass Kachelmann seine Ex-Freundin stranguliert hat. Darauf deuteten Würgemale am Hals hin, die der Mannheimer Gerichtsmediziner Prof. Dr. Mattern festgestellt und dokumentiert habe.«
Nein, das hatte nicht einmal der formidable Gutachter aus Heidelberg behauptet, dem der Wille seiner gerichtlichen Auftraggeber sehr am Herzen lag, wie man aus einem früheren Verfahren wusste, als sich Mattern laut Spiegel erst einmal darüber im Klaren werden wollte, was denn das Gericht am liebsten hören würde.
Es ist schwierig nach alldem, das hohlste und dreisteste Blatt zu kü ren. Burdas Bunte oder Focus , Springers Bild , die Süddeutsche , der Stern , der Tagesspiegel sind sicher die Blindesten unter den Einäugigen, aber wir wollen nicht die staatstreuen Medienhäuser in Baden-Württemberg vergessen, wo noch alles strammsteht, wenn es die Obrigkeit gebietet, sei es noch so sinnlos und abseitig. Nach meinem Freispruch waren die Stuttgarter Nachrichten immer noch nicht recht zufrieden mit der Justiz, hat sie doch Johann Schwenn die verfassungsmäßig garantierte Wahrnehmung seiner und meiner Rechte erlaubt:
»Die Justiz hat in diesem Verfahren ein denkbar schlechtes Bild abgegeben. Das beginnt bei der Staatsanwaltschaft Mannheim, die seit der Verhaftung Kachelmanns im März 2010 den Eindruck erweckt hat, es gehe ihr nicht um die Sache, sondern um die einmalige Chance, einen Prominenten zu überführen. Aber auch das Gericht hat merkwürdige Schwächen offenbart. Wer einem Verteidiger wie Johann Schwenn jede Menge eitle Eskapaden durchgehen lässt, das Verfahren dann aber an anderen Tagen wieder nichtöffentlich führt, darf sich nicht wundern, wenn aus einem Indizienprozess ein Showprozess wird. Insofern ist der Fall Kachelmann ein neues Lehrstück deutscher Justizgeschichte – freilich kein gutes.«
Ja, liebe Stuttgarter Nachrichten , da wäre die Verurteilung eines Unschuldigen doch der geringere Aufreger gewesen, Hauptsache, keine Eskapaden vor Gericht.
Für eine kurze Zeit nach der bedingungslosen Freilassung durch das OLG schöpfte ich Hoffnung, dass in Claudia Dinkels Umfeld ein Licht aufgehen möge, das ihr klarmacht, dass das für eine solch schlecht erzählte Räuberpistole ein schöner Erfolg war. Nachdem alles zunächst so gut lief mit der Lüge, sind die Überraschung und Enttäuschung zu verstehen, mit der sie auf meine Haftentlassung und den Freispruch reagierte. Am Ende war der
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