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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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weitere Sachverhalte beanstandet, unter anderem:
    • Die unübliche Verfahrensweise des Vorsitzenden, die Belastungszeugin, die normalerweise immer als Erste gehört wird, als eine der Letzten in den Zeugenstand zu rufen. Dadurch war es Claudia Dinkel möglich, sich selbst und über ihren Nebenklagevertreter einen Überblick über den Wissensstand des Gerichts, die Aussagen anderer Zeugen, die Verteidigung und letztendlich die gutachterlichen Erkenntnisse zu verschaffen und so »wohlpräpariert« ihre eigene Aussage zu machen.
    • Die Ladung der »Beziehungszeuginnen«, die »nach Aktenlage« zu ihren früheren oder andauernden Intimbeziehungen mit Jörg aussagen sollten. Im Antrag wird festgestellt: Keine der »Beziehungszeuginnen kann nach Aktenlage von körperlicher Gewalt Kachelmanns i. S. der angeklagten Tat oder etwa einer Vergewaltigungsszene als Bestandteil des Liebesspiels berichten«.
    • Die Nichtladung von Entlastungszeugen, wie beispielsweise etlicher Hotelangestellter des »Holiday Inn« in Mörfelden, die vor der Polizei ausgesagt hatten, dass Jörg am Morgen nach der angeblichen Tat einen normalen Eindruck gemacht und keinerlei Ver letzungen gehabt hätte. Ein anderer Entlastungszeuge, der der Staatsanwaltschaft im Mai 2010 einen Brief geschrieben hatte, der inhaltlich eine intentionale Falschaussage der Nebenklägerin nahelegte, wurde ebenfalls nicht gerichtlich geladen, ja, noch nicht einmal von der Staatsanwaltschaft vernommen, mit der Begründung, dass »weitere Ermittlungen nicht als erforderlich angesehen« würden.
    Das Fazit dazu im Befangenheitsantrag der Verteidigung:
    »Diese Verfahrensweise der abgelehnten Richter vermittelt Herrn Kachelmann den Eindruck, Beweismittel, mit denen ihn entlastende Tatsachen bewiesen werden könnten, sollten nach dem Willen der Richter nicht herangezogen werden, um – so seine Besorgnis – die bereits vor Beginn der Hauptverhandlung bestehende Verurteilungsabsicht nicht zu gefährden, indem entlastende Umstände möglicherweise nicht zu Kenntnis genommen werden sollten.«
    Der zweite Befangenheitsantrag
    Mitten in der Gerichtsverhandlung zur ersten Vernehmung von Frau Dinkel erging der zweite Befangenheitsantrag, diesmal gegen alle drei Richter der Kammer. Unmittelbarer Anlass war, dass Richter Seidling es abgelehnt hatte, Claudia Dinkel nach Paragraf 55 der Strafprozessordnung zu belehren, was er notwendigerweise aus eigenen Stücken hätte machen müssen, spätestens aber nach dem erfolgten Antrag der Verteidigung. Der Paragraf 55 besagt, dass ein Zeuge die Auskunft verweigern kann, wenn er sich selbst bei wahrheitsgemäßer Aussage belasten müsste. Der Vorsitzende Seidling jedoch unterließ es nicht nur, Frau Dinkel von sich aus darüber zu belehren, sondern wies überdies auch den Antrag der Verteidigung ab mit der Begründung, »dass das hier ja nicht notwendig sei«.
    Und das bei einem Stand des Verfahrens, in dem es kein Geständnis des Angeklagten gab, keine Beweise, die ihn belastet hätten, und noch keine Gutachter gehört worden waren. Wenn er in dieser Situation eine Belehrung über Paragraf 55 nicht notwendig fand, gibt es nur eine einzige mögliche Schlussfolgerung: Er war davon überzeugt, dass die Tochter seines Vereinskollegen die Wahrheit sprach, denn sonst hätte er sie, wie es das Gesetz vorschreibt, zu ihrem Schutz belehren müssen .
    Als jeder einzelne dieser Anträge schlussendlich als angeblich unbegründet abgelehnt wurde, haben die Mannheimer Richter Jörg sogar allein schon den »Anlass zur Besorgnis bei vernünftiger Würdigung aller Umstände « abgesprochen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und der Bundesgerichtshof ( BGH ) sehen ein Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters, also eine Besorgnis der Befangenheit, schon immer dann als gegeben »[…] wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, dass der oder die abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. […] Maßgebend ist der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten.«
    Landgericht, Kammer und Staatsanwaltschaft schienen nicht nur aus Angeklagtensicht eine geschlossene Wand, auf der von Anfang an »Verurteilung« stand.
    Mangelhafte Ausbildung
    Für den erforderlichen Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse fehlt es Polizisten, Staatsanwälten und Richtern an der entspre chenden Ausbildung. Es

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