Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
können.
Richter und Staatsanwälte, die Sexualdelikte bearbeiten, sollten zu jährlichen Weiterbildungen verpflichtet werden – bei gleichzeitigem Verbot der Teilnahme an »runden Tischen« von Opferschutzverbänden, Frauennotrufen, Psychotraumatologen und ähnlich parteiischen Netzwerken, die die Objektivität ihrer Arbeit angreifen. In gleicher Weise sollte es Polizeibeamten untersagt werden können, Mitglied oder Ansprechpartner von Opferorganisationen zu sein, deren Partei nahme unvereinbar ist mit der eigentlichen und objektiven polizeilichen Ermittlungsarbeit. Denn wie soll man unbefangen ermitteln, wenn man sich bereits vor Beginn der Ermittlungen einer Partei zugehörig fühlt und zur »Empathie« verpflichtet wurde?
Die Kammern und Strafverfolgungsbehörden müssen entlastet werden, indem mehr Strafkammern geschaffen, mehr Staatsanwälte eingestellt und mehr spezialisierte Polizisten ausgebildet werden. Ähn lich wie es in Amerika bei der Polizei »special units« und in vielen Bundesländern Fachkommissariate gibt, sollten auch Staatsanwaltschaften und Gerichte über Sonderdezernate und spezialisierte Strafkammern für Sexualdelikte verfügen, deren Mitglieder sich nachweisbar weitergebildet haben. Ja, ein Rechtsstaat ist teuer, aber er ist auch zivilisatorischer Fortschritt, den man nicht aufgeben darf.
Es ist wenig sinnvoll, darauf zu hoffen, dass die Justiz sich schon selbst helfen wird. Da geht das Budget vor. Ohne gesetzlichen Druck geschieht gar nichts, wie es sich sehr schön an Paragraf 37 des Jugendgerichtsgesetzes belegen lässt. Diese Vorschrift lautet seit jeher so:
»§ 37 Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte
Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein.«
Und wie wurden und werden diese erzieherisch besonders befähigten Staatsanwälte und Richter ausgewählt? Mit welchen Qualifikationen gelangen sie in ihre verantwortliche Stellung? In der Realität geraten sie, wie mir berichtet wurde, an den Job wie die Jungfrau zum Kind: Offenbar reicht es zum Nachweis der besonderen Befähigung schon aus, wenn sie Kinder, Nichten und Neffen haben. Falls das nicht der Fall ist, wurden sie in dieses juristisch unergiebige Betätigungsfeld häufig nur strafversetzt. Das soll sich nun ändern, denn seit 2010 liegt ein Entwurf des Bundesjustizministeriums vor, der mit der unsäglichen Praxis, die bislang herrschte, endlich Schluss machen soll.
Ein vergleichbares Gesetz wäre für die Staatsanwälte in den Sonderdezernaten für Sexualstraftaten und für die – in neu einzurichtenden Strafkammern für Sexualdelikte und Jugendschutzsachen bei den Landgerichten, die für erstinstanzliche und Berufungsverhandlungen zuständig wären – tätigen Richter zu fordern. Feld-, Wald- und Wiesenrichter und -staatsanwälte, die lediglich Strafsachen der allgemeinen Kriminalität bearbeiten, sind nicht in der Lage, sich kompetent mit den komplexen Problemfeldern zu befassen, die sich bei Sexualdelikten auftun, besonders dann nicht, wenn solche Fälle in ihrem Berufsleben nur ab und zu auftauchen.
Vorauseilender Gehorsam
Dass es in unserem Staat vielerlei Hilfsangebote für Opfer von Sexualstraftaten gibt, ist richtig und wichtig. Es gibt aber inzwischen auch viele Menschen, die sich ganz besonders anständig und politisch korrekt fühlen, wenn sie wie in einer Art vorauseilendem Gehorsam unkritisch und prinzipiell jede Frau unterstützen, die angibt, Opfer einer Sexualstraftat geworden zu sein. Dadurch steigt der Druck auf die Ermittlungsbehörden, die noch rechtsstaatlich handeln. Man findet Unterstützer in den Chefetagen der Medienanstalten, in der Politik und im ganz normalen Leben. Es ist cool geworden, Frauen zu beschützen, ihnen prinzipiell alles zu glauben, sobald das Wort »Missbrauch« oder »Nötigung« oder sogar nur »Sorgerecht« fällt, und ihnen ritterlich zu Hilfe zu eilen, solange es genügend Öffentlichkeit gibt, die die eigene Heldenrolle würdigt.
Talkshowmoderatoren trauen sich nicht mehr, eine Sendung über sexuellen Missbrauch zu machen, in der die Repräsentanz der »Opfervertreter« nicht ungleich höher ist als die von Vertretern der zu Un recht Beschuldigten. Zeitungen schreiben bei Anfangsverdacht und an gesichts der bloßen Behauptung einer Frau schon vom »Opfer«, auch wenn noch nichts ermittelt wurde und lediglich ein Verdacht besteht, ein Verdacht, den allein die Frau mit
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