Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
Vom Netzwerk:
ihrer Anzeige hervorgerufen hat. Das »mutmaßlich« vor den Worten »Opfer« und »Täter« wird oft weggelassen und muss erst eingeklagt werden. Aber auch dieser Zusatz hilft nicht viel, im Internet schrumpft er meist zu einem rein formalen »mm« zusammen. Die Worte »Anzeigeerstatterin« oder später »Nebenklägerin« (weil sie ja alle immer nebenklagen) würden weniger vorwegnehmen, aber mit diesen formal korrekten Bezeichnungen lassen sich nun mal keine Schlagzeilen machen, die die Menschen bestürzen.
    Die feministische, gegen den Mann an sich gerichtete Parteiergreifung für die Beschuldigerin wäre nicht der Gegenrede wert, wenn sie nicht schon längst Mainstream in den Medien, der Politik und in der Justiz geworden wäre. Sie bedroht die Unschuldsvermutung in einer Weise, wie es bislang nur Diktaturen gelungen ist, und erweist sich dabei als wesentlich effektiver, weil sie sich als vorgeblich humanitärer »Opferschutz« schleichend ausbreitet, gegen den ja niemand etwas haben kann.
    Sobald Richter kritisch nachfragen und nicht sofort alles glauben, sondern sich ihre Überzeugung im Lauf des Verfahrens und der Beweisaufnahme bilden, wie es ihnen vom Gesetz vorgeschrieben ist (diese Richter gibt es trotz aller systemimmanenten Widrigkeiten immer noch), dann ist die nächste empörte Zeitungsschlagzeile sicher, und Frau Schwarzer fällt jedem ins Wort, der nicht ihrer Meinung ist, und tut lauthals kund, dass Frauen eigentlich keine Rechte hätten und vor Gericht »nochmals vergewaltigt« würden von den sexistischen und »täterorientierten« Richtern, Staatsanwälten und natürlich Verteidigern.
    Hetzen und Halbwissen zu propagieren ist offenbar immer noch eine Eigenschaft, die deutsche Medien und Personen des öffentlichen Lebens für Deutschland angemessen halten. Da macht ein Hellmuth Karasek den Kohl auch nicht mehr fett, der in einem Buch anekdotisch erzählt, wie er vor Jahren einen Freund mit dessen Frau betrogen hat und diesen, als er ahnungslos unten am Haus vorbeilief, nackt Arm in Arm mit dessen Frau vom Fenster aus belächelte. Derselbe Karasek spricht sich öffentlich dafür aus, dass eine Frau, die betrogen wurde wie im »Fall Kachelmann«, selbst dann, wenn die behauptete Vergewaltigung nicht stattgefunden habe, ein Recht darauf habe, sich zu rächen. Da ist dann eh schon aller Anstand und jede Menschlichkeit über Bord geworfen, und der Scheinheiligkeit sind Tür und Tor geöffnet. Sich schützend vor Frauen zu stellen kommt offenbar immer gut an, selbst wenn die Frau der Angreifer ist.
    Richter haben also mehrere Probleme: die Verführungen der Macht, mitunter auch Bequemlichkeit oder eigene Überheblichkeit, die alleine schon problematisch genug sind, und dazu der berufliche und öffentliche Druck, dem sie ausgesetzt sind, sobald sie sauber rechtsstaatlich agieren.
    Was geschieht denn, wenn ein Ermittler einen Unschuldigen vor sich sitzen hat? Stellt man wirklich regelmäßig später im Gerichtsverfahren fest, dass er es gar nicht gewesen sein konnte, ähnlich wie bei dem unschuldig inhaftierten Siebzehnjährigen im Fall Lena? Oder wird er am Ende trotzdem verurteilt für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, weil bei der Justiz die Mechanismen der Angst vor dem Gesichtsverlust greifen und in den Medien nur einseitig berichtet worden ist?
    Im Rechtsstaat ist das Gesetz für alle gleich, und es muss auch für verurteilte Kindermörder gelten, auch wenn das manchmal dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden zuwiderläuft und etwa Til Schweiger und Armin Rohde finden, dass es Menschen gebe, denen man jegliche Würde und Mitgliedschaft in der menschlichen Gesellschaft absprechen kann, wie sie in einer Sendung von Markus Lanz im Februar 2011 äußerten. Ein Rechtsstaat funktioniert aber nur so lange, wie man seine Regeln in jeder Situation einhält. Und wer solche Dinge fordert wie Herr Rohde und Herr Schweiger, der bewegt sich außerhalb des Rechtsstaates und auch außerhalb des Grundgesetzes und der Men schenrechtskonvention. Eltern, deren Kind ermordet wurde, oder Op fer schwerer Straftaten müssen diese neutrale Sicht der Dinge nicht haben, sie dürfen wütend sein. Sie dürfen auch hassen. Der Rechtsstaat und dessen Vertreter dürfen das nicht. Deswegen ist Justitia blind und hält neben dem Schwert eine Waage in der Hand.
    Nur dann ergibt sich insgesamt ein gerechtes System, das zwar nicht jedem individuellen Schicksal gerecht wird, denn es ist letztendlich immer noch ein System, das von

Weitere Kostenlose Bücher