Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
versuchen, ein neues Leben zu beginnen und das Geschehene möglichst schnell zu vergessen.
Die meisten Opfer von Falschanzeigen und Verleumdungen gehen nicht an die Öffentlichkeit und erzählen nichts von dem, was sie erlebt haben. Abgesehen davon, dass ein Nichtprominenter die Bühne dafür nicht hätte. Die öffentliche Bühne ist reserviert für Anzeigeerstatterinnen, und falls sich eine Anzeigende als Lügnerin herausstellt, wird die Berichterstattung einfach eingestellt. Oftmals wird nicht einmal davon berichtet, wenn das Urteil auf Freispruch lautet oder zu Unrecht Verurteilte erst nach Jahren im Gefängnis und einem erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren, das äußerst selten ist, freikommen. Mindestens ebenso selten wird Anzeige gegen die Verursacher erstattet.
Die Gründe dafür sind so einfach wie vielfältig: Die von Falschanzeigen Betroffenen sind in der Regel am Ende ihrer Kräfte, und ihr Leben ist zerstört. Sie haben kein Geld mehr und den Arbeitsplatz verloren, ihre Freunde haben sich abgewandt, und viele verlieren auch Frau, Kind und Haus. Falls die Familie die zermürbende Zeit der Falschbeschuldigung gemeinsam mit dem Opfer durchsteht, leidet sie genauso wie der Betroffene. Das ist ein Grund dafür, weshalb in den von Frau Schwarzer und den selbst ernannten Opfervereinigungen so oft zitierten Studien nur eine geringe Prozentzahl von Falschbeschuldigungen erscheint.
In solchen Studien werden nämlich im Gegensatz zu den bloßen Anzeigen von Vergewaltigungen, die auch ohne gerichtliche Prüfung eine eigene Erwähnung finden, nur die anhängig gewordenen, von der Polizei von Amts wegen eingeleiteten Verfahren wegen Falschbeschuldigungen erfasst, die sich aus ursprünglichen Verfahren wegen Sexualdelikten ergeben haben. Denn obwohl Falschbeschuldigung, Falschaussage vor Gericht sowie Freiheitsberaubung Offizialdelikte sind und Polizei und Staatsanwaltschaften von sich aus ermitteln müssten, wenn die Verdachtsmomente gegen den angeklagten angeblichen Vergewaltiger schwinden und er letztendlich freigesprochen wird (was besonders bei einer erfolgreichen Wiederaufnahme gilt), so kommt es in der Realität so gut wie nie zu solchen Strafverfolgungen. Und wenn ein Freigesprochener doch Gegenanzeige erstattet, wird das Verfahren regelmäßig eingestellt – mit der oberflächlichen Begründung, es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht.
Das ist das übliche Verfahren, denn eine Staatsanwaltschaft, die einer anfänglich so überzeugend wirkenden »Opferzeugin« manchmal bis zum bitteren Ende vorbehaltlos Glauben geschenkt und dafür einen unschuldigen Menschen aus seinem Leben gerissen, ihn in Untersuchungshaft gesteckt und mit einem Prozess überzogen hat, wird in den seltensten Fällen die Seiten wechseln. Das hieße ja zuzugeben, dass man Fehler gemacht und sich von einer Schauspielerin im Gewand eines angeblichen Opfers hat instrumentalisieren lassen. Hat die Behörde obendrein noch Ermittlungsfehler gemacht, ist es wohl ein Ding der Unmöglichkeit, eine unvoreingenommene und gründliche Prüfung der Gegenanzeige durch diese »objektive« Behörde zu erhalten.
Auch deswegen erscheinen in den einschlägigen Studien nur magere fünf bis sieben Prozent an »Falschanzeigen«; in feministisch inspirierten finden sich noch groteskere Zahlen. Diese bilden dann die Grundlage für den Mythos, dass es falsch beschuldigende Frauen nicht gebe.
In Wirklichkeit bewegen sich die Zahlen von Falschbeschuldigungen in ganz anderen Dimensionen. Wenn man dem Rechtsmediziner Prof. Klaus Püschel folgt, der eine Ambulanz für Gewaltopfer leitet und als Experte für Selbstverletzungen gilt, dann sind seine Fälle zu knapp einem Drittel tatsächliche Vergewaltigungen, bei einem weiteren Drittel lässt sich die Frage mit rechtsmedizinischen Mitteln nicht entscheiden, und beim restlichen Drittel handelt es sich um Selbstbeibringungen. In einer anderen Aussage spricht Püschel von einem Viertel bis einem Drittel Falschaussagen mit steigender Tendenz allein schon in seinem Bereich, in dem Falschbeschuldigerinnen damit rech nen müssen, rechtsmedizinisch enttarnt zu werden.
In hartem Kontrast zu solchen Befunden rufen Alice Schwarzer, der »Weiße Ring«, »Wildwasser e. V.« und all die anderen »Opferverbände«, wie nach Jörgs Freispruch oder bei dem 2011 freigesprochenem Biologielehrer Horst Arnold, der fünf Jahre zu Unrecht im Gefängnis saß: »Einzelschicksal! Nicht die Regel! Das hat ganz fatale Auswirkungen für
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