Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
Vom Netzwerk:
war. Scheiß drauf, es kommt aufs Herz an. Und fast alle hatten eins. Haben versucht zu helfen, wo es ging, und haben Ausländer und Einheimische (fast) immer gleich behandelt.
    So war ich froh, vom ersten Stock, realiter Parterre, wo ich am Anfang war, in eine frei werdende Einzelzelle in den dritten verlegt zu werden. Ich hatte mehrere Gespräche mit dem Hauspsychologen absolviert, einem ausweislich seiner Bürodekoration in den späten Sechzigern stehen gebliebenen Menschen mit Peanuts -Cartoons an seiner Bürotür. Körpersprachlich und auch andeutungsweise konnte ich keine Zweifel daran erkennen, dass er an meine Schuld glaubte, schien es aber dennoch bemerkenswert zu finden, dass ich gegen die Beschuldigung kämpfen wollte, und gab mir dadurch die Einzelzellen berechtigung. Es ist ein fataler Fehler mancher Gefangener, die wehleidige Nummer abzuziehen und zu hoffen, dass dadurch irgendwas besser wird. Aber nichts ist gut, man wird nur andauernd mit entnervten und anfangs oft noch drogenabhängigen, später durch kalten Entzug sehr missmutigen Neuankömmlingen zusammengelegt und bekommt einen blauen Punkt draußen an die Zellentür, damit’s auch alle wissen: selbstmordgefährdet.
    Das war ich wirklich nicht, und ich habe mich im dritten Stock gleich wohlgefühlt. Es war sogar je eine Zelle an der Nord- und an der Südseite frei, und ich konnte mir eine aussuchen. Es war immer noch März, aber ich spürte an der Reaktion und aufgrund der Geschichten der Mitgefangenen, dass die baden-württembergische Justiz offenbar wild entschlossen war, an mir ihr Mütchen zu kühlen. Ich ahnte, dass ich so schnell nicht rauskommen würde und entschied mich deshalb für den Nordflügel. Ich hatte bereits gelernt, dass es wichtig ist, Lebensmittel bunkern und kühlen zu können, und ich wusste, dass es auf der Südseite im Sommer tierisch heiß werden würde. Die 1328 war eine gute Wahl, die von da an noch knapp hundertdreißig Tage meine Wohnung sein würde. Acht Quadratmeter Deutschland, Pritsche, Tisch, Stuhl, Schrank, Klo, Waschbecken.
    Gesundes Essen gibt es in der JVA Mannheim nur gegen Geld. Das Land muss sparen, und wenn man den mutmaßlichen Verbrechern Geld wegnimmt, applaudiert der aufgehetzte gesunde Menschenverstand aus der Bild -Zeitung. In einer Vollversammlung der JVA -Beamten hat sich die Knastleitung dem Vernehmen nach dementsprechend vor Freude weggeschmissen, als sie verkünden konnte, dass Mannheim vom »teuersten« Knast des Landes zum zweitbilligsten aufgestiegen war, mit etwas mehr als zwei Euro pro Tag und Nase fürs Essen. Die beiden Gefängnistheologen gaben zu bedenken, dass viele Gefangene mit Hunger in die Nacht gingen, woraufhin es zu tumultartigen Szenen gekommen sein soll, bei denen die Geistlichkeit regelrecht zusammengebrüllt wurde.
    Es gibt in Mannheim zweimal zu essen. Einmal so um elf Uhr rum, ein gutes Mittagessen, wirklich und ohne Ironie oft eine Leistung für eine Großküche für tausend Leute. Manchmal nicht genug, aber eigent lich immer gut.
    Um halb drei gibt es Abendessen und Frühstück kombiniert, fünf Scheiben Brot plus zwei Scheiben Wurst oder Käse, manchmal Quark, einmal pro Woche einen Liter Milch. Die Problematik ist nun, dass die Leute, die sich zusätzlich per Einkauf verpflegen, aus einem knasttypischen Bunkerbedürfnis heraus die fünf Brotscheiben annehmen, aber einen Teil davon später durchs Gitter werfen. An der Herzogenriedstraße in Mannheim wohnen die fettesten Vögel, die man sich vorstellen kann. Durch die Lebensmittelwürfe sieht der Hof jeden Tag komplett eingesaut aus, weil die verwöhnten Vögel die Rinde dranlassen, nur das Weiche aus der Scheibenmitte rauspicken, und die zahlreichen Ratten offenbar auch Besseres gewohnt sind. Und die weggeworfenen Brotscheiben der Habenden sind ein Argument dagegen, dass es zu wenig zu essen gäbe. Aber das stimmt nicht: Wer keinen Einkauf hat, isst alles auf und ist dennoch oft auf Almosen von Mitgefangenen angewiesen.
    Einmal pro Woche (wenn’s gut kommt) bekommt man ein Stück Obst, meist schon älteren Datums. Zumindest während meiner Knastzeit hatte sich innerhalb der für die Gesundheit der Gefangenen zuständigen Menschen noch nicht herumgesprochen, dass Obst und Gemüse rationiert werden, um es vorsichtig zu formulieren. Das fanden zwar sowohl die Ärzte wie die für den Kraftsport zuständigen Leute ganz furchtbar, aber schließlich gibt es ja den Einkauf, der alle Probleme löst.
    In der Schweiz ist es so,

Weitere Kostenlose Bücher