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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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sein müssen. Wir konnten lediglich erreichen, dass ich ihnen ohne Handschellen zum Fraß vorgeworfen wurde. Ich sagte auf dem kurzen Gang durch die entfesselte Journaille, dass ich unschuldig sei, versuchte so normal wie möglich aus der Wäsche zu gucken und fügte hinzu, dass ich mehr dazu nicht sagen könne. Und rein ging’s in das Justizfahrzeug, zurück in den Knast. Nachdem ich den Spießrutenlauf durch die vorgefahrene Medienmasse geradezu als Bedrohung meines Lebens empfunden hatte, kam mir diese Fahrt fast als Weg in die Sicherheit vor. Ich war nicht so sehr enttäuscht, dass ich wieder in den Knast musste – damit hatte ich angesichts der Vorwarnungen Birkenstocks und der feindseligen Stimmung im Raum während meiner Aussage gerechnet –, ich war eher erleichtert, in Sicherheit vor der entfesselten vierten Gewalt im Staat zu sein. Gut drei Monate später, als ich in die Freiheit entlassen wurde, sollte sich das umgekehrte zwiespältige Gefühl einstellen.
    Die Debatte, ob diese Aussage eine gute Idee gewesen war, kam erst nachträglich auf. Ich war damals mit Anwalt Birkenstock einig, dass ich mich vor der Wahrheit nicht zu fürchten brauchte. Das Mannheimer Gericht hat mir später einfach nicht glauben wollen, aber gegen ignorante Gerichte kann man nun mal nichts machen. Wenn sie lieber einer Falschbeschuldigerin (oder mehreren Märchenerzählerinnen) glauben als einem Mann, der die Wahrheit sagt: Soll man dann darauf verzichten, die Wahrheit zu sagen?
    Ich war wieder im Knast und ärgerte mich über das Land, in dem ich einsaß. Ausgerechnet im badischen Teil des Landes mit diesem Wahnsinn konfrontiert zu sein hat mich persönlich getroffen, weil ich ja in Baden geboren wurde und eigentlich fand, dass es ein gutes Land sein musste. Fast ein bisschen wie die Schweiz, aber aufgrund historisch unglücklicher Umstände dummerweise zum falschen Staat gehörend. Nach meinen Erfahrungen mit der Justiz in Baden-Württemberg, vor allem aber auch aufgrund dessen, was ich in den Urteilen von Haftkumpels gelesen habe, muss ich allerdings feststellen: Zumindest in Mannheim, möglicherweise auch in Baden-Württemberg, ist der Justizwahnsinn systembedingt. Ich werde dieses Bundesland in diesem Leben nur noch möglichst sparsam betreten. Allein schon der Gedanke, dass man der geballten Kriminalerkraft der Außenstelle Schwetzingen zum Opfer fallen könnte, muss eine großräumige Umfahrung zumindest der Kurpfalz zur Folge haben, wo die nicht nur nach meiner Ansicht unbedingt zu meidende Polizeidirektion Heidelberg zuständig ist.
    Schade um das schöne Land, um die vielen netten Menschen, die ich dort in meinem Leben kennengelernt habe. Aber meiden Sie es nach Kräften, so viel sollte Ihnen Ihr Leben wert sein. Denken Sie nicht, dass Sie nur dann in eine solche Situation kommen könnten, wenn Sie mehr als einen Partner gleichzeitig haben. Es kann jeden treffen, der jemanden kennt, der sich an jemandem rächen will. Und dann gnade Ihnen Gott, wenn die Schwetzinger Kriminalpolizei die Ermittlungen aufnimmt, geführt vom mittlerweile zum Ersten Staatsanwalt beförderten Staatsanwalt Oltrogge und von Oberstaatsanwalt Oskar Gattner.

Zelle 1328
    Es ist allerdings nicht alles schlecht in der Kurpfalz. Justiz- und Polizeibeamte, die rund 1 900 Euro netto oder weniger verdienen, scheinen keine Aliens, sondern Menschen zu sein. Nicht korrupt, kein Schaum vor dem Mund, keine Vorurteile. Es sind Menschen mit Empathie und einem eigenen Leben. Die 1 900-Euro-Grenze mag nicht ganz scharf sein, aber diesen guten Menschen hat Baden-Württemberg es zu verdanken, dass sich die Häftlinge nicht reihenweise an die Gitter hängen (die Selbstmordzahl ist dennoch viel größer als gemeinhin angenommen; der Justiz gelingt es meistens gut, Selbstmorde in U-Haft geheim zu halten oder die willfährige Gerichtspresse beim Bier davon zu überzeugen, dass das nicht so gut käme und man dafür andere schöne Neuigkeiten über diesen oder jenen Zuhälter hätte).
    Zu diesen guten Menschen mit bescheidenem Verdienst gehörten die meisten Stockwerksbeamten in der JVA Mannheim, zumindest im U-Haft-Trakt. Dabei ist es egal, dass man als Gefangener fast durchweg mit dem Nachnamen gerufen und geduzt wird (»Kachelmann, mach doch mal…«). Das verstößt zwar mutmaßlich gegen irgendeine Vorschrift, aber es ist ein freundliches Duzen. Mich hat es nicht gestört, dass ich nur in der direkten Ansprache ein »Herr Kachelmann« und eher selten ein Gesiezter

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