Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Alda!«), teils schadenfreudig (»Deine Karriere ist vorbei, Alda!«) bis ablehnend (»Hey, Kachelmann, Arschloch!«) mitteilten. Ich wusste damals nicht, wie viel Stuss in den Medien berichtet wurde, ahnte aber, dass es durch mein unaufgeräumtes Privatleben, das zwar jederzeit gewaltfrei, aber eben nicht treu abgelaufen war, nun vor allem bei den enttäuschten Ex-»Freundinnen« zu Racheakten kommen würde. Es war auch so verführerisch: Eine hatte den Anfang gemacht, nun war es leicht, das enttäuschte Opfer zu spielen und irgendwelche Storys zu erfinden, die es nie gegeben hatte. Eine von ihnen war die erste Bunte -Leidenszeugin Viola Sch., die so frei war, gegenüber der Polizei zu sagen: »Soll er doch im Knast verrecken!« Spätestens da weiß man auch als Mann, das muss wirklich Liebe gewesen sein.
Aber so schnell verreckt man nicht im Knast, und ich war dankbar festzustellen, dass ich zwar eine rührselige Heulsuse bin, was Filme und Schicksale anderer Menschen angeht, dass aber kein Selbstmitleid in mir wohnte. Ich wusste ja, dass ich unschuldig war. Und anfangs dachte ich noch, dass es eine eher kurze Sache werden würde. Glaubte noch, dass der Staatsanwalt oder die Polizei aus der Spargelstadt Schwetzingen Chefs hätten, die den fehlgeleiteten Ermittlungseifer ihrer Untergebenen sehen und die Falschbeschuldigung erkennen würden, die dem Haftbefehl zugrunde lag.
Spießrutenlauf in Mannheim
Dann kam der Haftprüfungstermin vom 24. März 2010. Im Nachhinein denke ich mir, dass die Staatsanwaltschaft schon vor diesem Termin geahnt haben muss, wie er ausgehen würde: Warum sonst hätte sie am 23. März 2010 mit einer Pressemitteilung Ort und Uhrzeit dieser nicht öffentlichen Veranstaltung bekannt geben sollen, mit der Folge, dass sich eine geifernde Pressemeute pünktlich vor dem Amtsgericht Mannheim einfand?
Als ich in den Amtsräumen war und aufgrund der Prognose von Rechtsanwalt Birkenstock wenig Hoffnung hatte, dass an diesem Tag meine Knastzeit enden würde, gab es zunächst die vereinbarte Haarprobe. Ich Weichei hatte mit Drogen nie was am Hut gehabt, aber die Mannheimer Staatsanwaltschaft hielt die Haarprobe für ebenso dringend erforderlich wie die gestrenge Frau, die die Probe nahm und durch Duktus und Körpersprache keinen Zweifel daran ließ, dass ich nicht nur das in Schwetzingen erfundene Verbrechen begangen hatte, sondern auch für den Hunger in der Welt und den Nahostkonflikt verantwortlich war. Den Zustand meiner Haare fand sie wohl auch unangemessen. Wie jeden Tag seit der Pubertät waren sie frisch gewaschen, aber die Anstaltsseife machte das Ganze doch etwas strohig – Shampoo oder womöglich Spülung gab es erst nach Wochen im Einkauf –, sodass schon am Anfang eine raue Note in den auch sonst widerwärtigen Tag kam.
Später flog in einem Nebenraum, warum auch immer, ein Fernseher aus zwei Metern Höhe unter dramatischem Getöse auf den Boden, und, ach ja, es gab auch noch meine Aussage. Es war unschwer zu spüren, dass alle im Raum außer meinem Anwalt Birkenstock mich für einen furchtbaren Sexualverbrecher hielten, wie ein zumindest potenziell Unschuldiger wurde ich von niemandem behandelt. Ich sagte die Wahrheit, soweit ich mich erinnern konnte, es war ja mit Ausnahme der ohne Dramatik verlaufenen Trennung von Claudia Dinkel am Schluss ein doch recht normaler Abend gewesen, sodass ich mir nichts Besonderes gemerkt hatte. Ich sagte wahrheitsgemäß aus, was ich wusste, nur bei manchen Sachen war ich mir wegen der zeitlichen Distanz und der schieren Normalität der Abläufe nicht mehr sicher. Was ich sagte, war den Anwesenden sichtlich scheißegal, am Ende gab es von Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge, den ich an diesem Tag das erste Mal sah, den legendären, in schrillem Diskant zu Gehör gebrachten Satz: »Aus aussagepsychologischen Gründen glaube ich der Klägerin.«
Dem konnte oder wollte sich der Amtsrichter nicht verschließen, aber ich dachte immer noch, dass sich die Wahrheit bald Bahn brechen würde, und bedankte mich bei Oltrogge für das immerhin stattgefunden haben mögende Erwägen meiner Freilassung. Ich höflicher Trottel. Ich hatte zur Verabschiedung die nasseste Hand der nördlichen Hemisphäre kurz in der meinen und dachte vorfreudig an die Seife in der Zelle, die mich hoffentlich von der DNA eines deutschen Beamten befreien würde.
Man hatte uns mitgeteilt, dass draußen Journalisten seien, und stellte das als Naturgesetz hin, was es eigentlich nicht hätte
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