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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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Stockwerksbeamten in der I /3 zufriedenzustellen: »So isch Lebe. Musch schaffe, sonschd kommt der G.«
    G. hielt den Vorschlag erst einmal für einen Scherz, und beide haben eine Weile miteinander herumgeblödelt und sich vorgestellt, wie das Prinzesschen das Beamtenklo feudelt und den Gang wischt. Unser Stockwerksbeamter hatte natürlich auch mitbekommen, welch große Nervosität von der Anstaltsleitung ausging, die Angst, dass ich mich aufhängen würde oder sonst irgendwas passieren könnte, was den Ruf der JVA in Mitleidenschaft ziehen könnte. G. stellte früh fest, dass ich mit Selbstmord nix am Hut hatte, und er hatte für mich auch noch ein Zusatzincentive parat: »Kachelmann, wenn du dir was machsch, tritt ich dich in de Arsch.«
    Am Ende wurde ich dann aber doch gefragt. Ich habe mir etwas Bedenkzeit erbeten, René, den potenziellen Mitreiniger, nach Vor- und Nachteilen befragt und auch die älteren Kumpels interviewt, warum sie den Job abgelehnt hatten. Für die war das tägliche Aufstehen um halb sechs zu mühsam, viele U-Knastis versuchen, eine Nacht lang vor der Glotze wach zu bleiben, weil sich das ein bisschen wie Normalität anfühlt, um dann, Nichtarbeiten vorausgesetzt, den Tag zu verpennen nach dem Motto: »Wer schläft, sitzt nicht.« Für mich war das frühe Aufstehen okay. In den ersten Nächten hatte ich vor lauter Blutdruck und Puls und Aufregung und Nachdenken, warum ich die Abschiedsszene in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2010 nicht bis zu meinem Abgang gefilmt hatte, kaum schlafen können. Gut, ich hatte so was noch nie gefilmt, aber ich hatte doch geahnt, dass Dinkel alles zuzutrauen ist. Wobei auch da, habe ich mich getröstet, sie einfach behaupten hätte können, dass ich später noch mal wiedergekommen wäre und das dann Folgende nicht mehr gefilmt hätte.
    Gedanken, denen man auch beim Putzen nachhängt. In den zwei Zusatzstunden, nachdem die anderen schon eingeschlossen in ihren Zellen sind, wird zwar geputzt, was das Zeug hält, aber es ist angenehmer, weil es still ist. Knast ist laut, es wird viel zwischen den Stockwerken hin und her gebrüllt in unterschiedlichen Sprachen, und dass es auch mal ruhiger ist, fällt erst so richtig und angenehm auf, wenn eingeschlossen wird und pro Stockwerk nur noch zwei Leute auf die Auffanggitternetze gegen Selbstmordspringer gucken. Dann stehen die beiden Reiniger da mit Besen und Wischmopp und warten, dass sechsundvierzigmal das charakteristische Geräusch des Schlüsselbundes in der Metalltür ertönt. »Einschließen, die Verbrecher!«, rief mein Kumpel manchmal fröhlich, um den Vorgang zu beschleunigen, ich fand’s zwar lustig, wollte aber den Satz nie selbst verwenden, weil ich mutmaßte, dass ich womöglich nicht als Einziger hier kein Verbrecher war.
    In den zwei abendlichen (am Wochenende nachmittäglichen) Putz stunden galt es, das Beamtenklo zu putzen (die meisten sind Stehpink ler, halt echte Männer), im Beamtenbüro die Möbel rauszuräumen, den Schreibtisch, alle Büromöbel und andere Flächen mit feuchtem Lappen und etwas Spüli zu reinigen, jeden zweiten Tag den Boden feucht zu wischen (an den Zwischentagen reichte Besenreinheit) sowie das Spülbecken und die Kaffeemaschine in Schuss zu halten und das Beamtengeschirr zu spülen. Und dann die flächige Aufgabe, die zweimal fünfundsechzig Meter Gang im Wechsel von Tag zu Tag mit dem Besen zu kehren oder mit Wischmopp und Eimer nass zu wischen. Eine sehr kontemplative Aufgabe, eine Zeit intensiven Nachdenkens über einer rhythmisch gleichen, einlullenden rotierenden Bewegung. Mein Reinigerkollege und ich haben oft über die optimale Handhabung diskutiert. Wir haben leicht unterschiedliche Taktiken beibehalten, aber das Ergebnis war relativ identisch, und G. konnte wohl niemals feststellen, wer gewischt hatte.
    Die schönste Aufgabe eines Schänzers in der JVA ist jedoch, Essen auszugeben. Gegen zehn Uhr fünfundvierzig legten wir unseren weißen Kittel und das weiße Hütchen an und warteten darauf, dass G. aus seinem Büro kam und den Trakt aufschloss, damit wir auf dem anderen Flügel die Essenswagen holen konnten. Diese sind mit einem Vorhängeschloss gesichert, damit man nichts rein- und rausschmuggeln kann zwischen Küche und befreundeten Kumpeln in den Stockwerken. Immerhin nimmt die Mannheimer JVA -Küche Rücksicht auf die schweinefleischfreie Kost der Muslime, ein roter Punkt neben dem Namen an der Zellentür zeigt uns Reinigern, dass wir die Töpfe mit dem roten

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