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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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Frauen gibt, die das aus Wut über Untreue, aber auch für Geld behaupten, sei es vor der Polizei oder vor Gericht, um mitzuhelfen, einen Unschuldigen für viele Jahre in den Knast zu bringen. Die Knastkumpels haben meine kuhähnliche Friedfertigkeit freundlicherweise frühzeitig erkannt, was zu einem angenehmeren Umgang auf dem Stockwerk und beim Hofgang führte. Vergewaltiger sind im Knast nur ein bisschen weniger schlecht angesehen als die sogenannten Kiwis, Sittiche oder auch Kinderficker. Wir hatten welche mit diesem Vorwurf auf dem Stockwerk; bei dem einen erfuhr ich erst nach meiner Freilassung von dem ungeheuerlichen Verdacht, ein anderer ließ seinen Haftbefehl rumliegen in der Doppelzelle, und Sekunden später wusste es das gesamte Stockwerk.
    Ein Häftling mit einem solchen Verdacht wird routinemäßig von einem Teil der Gefangenen so weit eingeschüchtert, dass er es nicht mehr wagt, die Zelle zu verlassen. Im Fall des jungen mutmaßlichen Kinderschänders fühlte der sich so bedroht, dass er ultimativ auf ein anderes Stockwerk verlegt werden wollte. Ich hatte gemischte Gefühle: Als betroffener Vater würde auch ich versucht sein, mit dem Gedanken an Selbstjustiz zu spielen, andererseits dachte ich an mich und gab den anderen zu bedenken, dass auch er einem Racheakt zum Opfer gefallen sein könnte und dass es eben letztendlich die Unschuldsvermutung gebe. Das überzeugte in diesem Fall aber kaum.
    Ich weiß nicht, ob es irgendeinen potenziellen Kiwi draußen in seiner Krankheit interessiert und ob ihn diese Nachricht von irgendwas abhält, aber ich will es festhalten, und wenn es auch nur einen Einzigen beeindruckt: Der Knast wird Horror für Sie sein. Sie werden nicht aus der Zelle wollen. Sie werden jeden Tag um Ihr Leben bangen. Deshalb sind allerdings auch Menschen, die mit diesem Vorwurf über Jahre unschuldig im Knast saßen, danach meist nicht mehr in der Lage, ein normales Leben zu führen.
    Die mir innewohnende gleichmäßige Gutmütigkeit kann für jugendliche Heißsporne aber auch eine Provokation sein, und in zwei Fällen habe ich etwas gemacht, was ich nie vorher gemacht habe (und seither auch nicht mehr): Ich habe mich mit meinen ein Meter neunzig und den einigermaßen starken Beinen und leider nicht so starken Armen einmal vor einem Jungschnösel aufgebaut, der mich schon seit Tagen bei meinen wischenden Tätigkeiten verhöhnte. Aus irgendeinem Grund war er nicht eingeschlossen, sondern kam vom Arzt oder was weiß ich und verarschte mich nach Herzenslust, während ich den Wischmopp schwang. Ein paar Tage ließ ich das über mich er gehen, dann wagte ich es (er schien notfalls knapp schwächer als ich): Ich stellte mich wenige Millimeter vor ihn hin und zischte dem Junggefangenen eine pädagogisch korrekte Ichbotschaft zu: »Ich will, dass du aufhörsch, mir auf den Sack zu gehen!«
    Wow, ich bekam keine aufs Maul, und er ließ mich von da an in Ruhe. Wochen später probierte ich das Erfolgsmodell ein zweites Mal angesichts eines sonst geschätzten Kollegen, der aber nach drei Jahren U-Haft auch nicht mehr jederzeit auf der Höhe des Geschehens war und mir gesagt hatte, dass immer etwas dran sei, wenn man in U-Haft sitze. Ich hätte mildernde Umstände walten lassen sollen, denn ich wusste, dass er die Süddeutsche abonniert hatte, las aber absichtlich nicht, welchen Blödsinn von Gnaden der Staatsanwaltschaft die vermeintlichen Spitzenrechercheure in der fälschlicherweise als Qualitätszeitung betrachteten Papiersammlung offenbar ungefiltert übernommen hatten. Ich kann nur aus meiner Erfahrung berichten, dass die Geschichten der Süddeutschen in Sachen Seriosität mit dem Elend in Focus , Bild und Bunte gleichzusetzen waren. Es lohnt sich nicht, das Geld für solche Blätter auszugeben; Sachen einwickeln kann man auch mit billigeren Zeitungen.

Justiz heute: der Deal
    Ich wusste, dass man in Mannheim auch für gar nichts ganz lange sitzen kann, wenn einen der kollektive Verurteilungsfuror, gepaart mit der gemeinschaftlichen Inkompetenz von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichtswesen, trifft. In den ersten Wochen begann ich zu verstehen, auch aus den Schilderungen der Kollegen, dass die U-Haft eigentlich dazu da ist, einen zum Geständnis zu bringen. Und viele gestehen, sogar Dinge, die sie nie getan haben – um einem Angst machenden Prozess zu entkommen, um eine vergleichsweise erträgliche Strafe durch einen Deal zu bewirken. Denn heute läuft in Deutschland fast alles mit dem

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