Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Deal.
Ein Deal spielt sich üblicherweise folgendermaßen ab: Die Staatsanwaltschaft sucht sich bei einem Drogendelikt alles zusammen, was es an ungeklärten Dingen in Mannheim in Sachen BtM gibt, und schiebt sie einem potenziellen Deal-Opfer in die Schuhe. Dann schreibt der Staatsanwalt dem Verteidiger, oder es gibt ein sogenanntes Rechtsgespräch in der Kneipe, bei dem der Mensch von der Staatsanwaltschaft dem Verteidiger sagt, dass es dafür zehn Jahre gibt, wenn nicht alles unverzüglich zugegeben wird. Bei einem umfassenden Geständnis könne man sich auf sieben Jahre einigen. Solche Deals sind der inzwischen legale Weg, dass sich Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidiger darauf einigen, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Geld zu verdienen und obendrein gute Noten von den Chefs und Mandanten zu bekommen, ohne sie allerdings zu verdienen.
Vorteil für die Staatsanwaltschaft: sauberes Geständnis, keine Revi sion, das Urteil unterschreitet den Antrag der Staatsanwaltschaft, wenn überhaupt, kaum: Fleißkäferchen vom Ministerium.
Vorteil für das Gericht: Urteil schon klar, keine Revision, der Richter kann schon mal die Begründung schreiben, bevor’s überhaupt losgeht, und muss nicht groß zuhören und kreativ fragen. Alle sind sich einig.
Vorteil für die Verteidigung: Wenn der Mandant zustimmt, kann der Verteidiger ihm erzählen, er hätte drei Jahre rausgeholt; sicher, eigentlich dürfte der für so was nur zwei Jahre auf Bewährung kriegen, aber wir sind in Mannheim, wo die Gleichung gilt: drei Kilo Gras aus Holland sind schlimmer als drei Tote. Der Verteidiger muss sich nicht groß vorbereiten, das Plädoyer ist in wenigen Minuten gebongt, weil alles schon von Anfang an ausgekungelt wurde. Und für das Gericht ist er als pflegeleichter Verteidiger automatisch in der Poleposition, um noch ganz viele tolle Pflichtverteidigungen zugeschanzt zu bekom men (seit ihrem deutlichen Plädoyer hat meine Verteidigerin Andrea Combé keine Pflichtverteidigungen mehr aus Mannheim bekom men – sie hat sich die Zuwendung des Gerichts verwirkt, das keine ernsthaften Gegner möchte).
So gibt es dann die typischen Anträge, die da heißen: Acht Jahre fordert die Staatsanwaltschaft, siebeneinhalb die Verteidigung, das Gericht gibt je nach Tagesform siebeneinhalb oder acht, aus die Maus. So einfach ist die deutsche Gerichtswelt geworden. Der Bundesgerichtshof ( BGH ) kann auf die Ausreißer in der Strafzumessung der baden-württembergischen Justiz nicht reagieren, denn zu jedem Deal gehört stillschweigend der Rechtsmittelverzicht, der ist zwar grundsätzlich nicht erlaubt, aber was soll’s. Revisionssicher könnten solche Erpressungen ja nicht begründet werden.
Das nachfolgende Beispiel macht deutlich, wie verzweifelt sogenannte Verteidiger darum kämpfen, den Weg des geringsten Widerstands und der Gewinnmaximierung für alle Beteiligten (außer den Mandanten) gehen zu können. Auslöser der Ereignisse war der Versuch eines (zum fraglichen Zeitpunkt angetrunkenen) Knastkumpels, ungebetenen Besuch zu erschrecken und aus der eigenen Wohnung zu komplimentieren, allerdings ohne irgendjemanden zu berühren oder zu verletzen. Noch vor der Anklageerhebung unterbreitete der Verteidiger seinem Mandanten einen gut gemeinten Vorschlag – ich habe das im Knast wörtlich aus dem Originaltext abgeschrieben:
»Sie geben gegenüber dem Landgericht eine Erklärung ab, dass die Vorwürfe in der Anklageschrift stimmen. Mit diesem Geständnis würde insgesamt eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren gegen Sie ausgeworfen werden, die wie folgt zu verbüßen sind: U-Haft vier Monate, Strafhaft ein Jahr, Therapie nach Paragraf 64 [Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; Anmerkung JK ] zwei Jahre, dann Freiheit.
Als andere Verteidigungsstrategie käme eine Konfrontationsverteidigung in Betracht, ohne Geständnis. Aktuell nach Aktenlage würde dies für einen versuchten Totschla g/ Mord eine Freiheitsstrafe von zehn bis zwölf Jahren bedeuten, auch hier käme die Therapie zu tragen, das würde aber bedeuten, dass Sie zunächst einmal mindestens drei, vielleicht sogar vier Jahre Strafhaft verbüßen müssten, um dann in Therapie zu kommen und dann den Rest der Strafe in Freiheit zu verbleiben. Wenn man letztendlich auf die Halbstrafe hinaus möchte, so bleibt letztendlich nur Ihr Geständnis.«
Und weil der Verteidiger weiß, dass der bald Angeklagte gar nicht gemacht hat, was ihm vorgeworfen wird, wird er nun gegenüber dem
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