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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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griff er
zuerst mit der falschen Hand zu, so, wie er es jahrelang in seiner alten Wohnung
gewohnt gewesen war. Für einen Augenblick blieb er stehen und musste über seinen
Fauxpas schmunzeln. Auf dem Weg zum Schlafzimmer hörte er Marias ruhiges, entspanntes
Atmen und freute sich auf den erneuten Körperkontakt mit ihr.
    Eine knappe Viertelstunde später wurde er vom Klingeln des Telefons
aufgeschreckt. Der Kommissar hob den Kopf, sah sich in der Dunkelheit um, und stieg
aus dem Bett.
    »Was ist denn los?«, nuschelte Maria mehr schlafend als wach.
    »Schlaf weiter«, flüsterte Lenz ihr ins Ohr, verließ das Zimmer und
zog die Tür hinter sich zu.
    »Ja, Lenz«, meldete sich der Polizist mürrisch, nachdem er das leuchtende
Telefon auf dem Küchentisch entdeckt hatte.
    »Ich bin’s, Thilo.«
    »Ach, welch überraschende Nachricht.«
    »Hör auf rumzuätzen und sag mir, wie lange du brauchst, bis du bei
mir im Auto sitzt.«
    Der Hauptkommissar stieß einen leisen Fluch aus. »Ich bin ziemlich
angetütert, Thilo, weil ich erst vor einer Stunde von einer Hochzeitsparty nach
Hause gekommen bin. Was gibt es denn so Wichtiges?«
    »Wir haben drei Tote in der Nordstadt. Die Geschichte sieht ganz schön
krass aus.«
    Schlagartig verflogen ein großer Teil der Alkoholnebel, die Lenz umschwirrten.
»Gib mir zehn Minuten.«
    »Gut. Bis gleich dann.«
     
    *
     
    »Tut mir leid, dass ich dich aus dem Bett geholt habe, aber du hättest
mir morgen garantiert den Kopf runtergerissen, wenn ich es nicht getan hätte«, wurde
Lenz von seinem Kollegen begrüßt, noch bevor er richtig im Sitz des kleinen Japaners
gelandet war.
    »Schon gut«, erwiderte der Hauptkommissar und drehte den Regler der
Heizung hoch.
    »Gibt es schon irgendwelche Informationen?«, wollte er wissen.
    »Drei Tote, mehr kann ich dir nicht sagen. Aber die Kollegen vor Ort
meinten, dass es richtig übel aussehen würde. Alles voller Blut und so.«
    »Deutsche?«
    »Wie gesagt, keine Ahnung. Aber wenn ich Nordstadt höre, denke ich
auch immer als Erstes, dass es wohl keine Deutschen sind.«
    Das Viertel, von dem die beiden sprachen, war für seinen hohen Ausländeranteil
bekannt. Speziell die türkischen Mitbürger lebten gerne in dem alten Arbeiterquartier.
    »Und ich hatte ganz vergessen, dass du ja heute auf dieser Party gewesen
bist. War es gut?«
    »Ging so«, erwiderte Lenz gähnend. »Du weißt ja, dass ich ohnehin nicht
der Partylöwe vor dem Herrn bin. Immerhin hat es mir wieder mal aufgezeigt, dass
ich, selbst wenn ich auf meine alten Tage noch mal heiraten sollte, von jeglicher
bürgerlichen Feier Abstand nehmen würde.«
    Hain sah ihn verwundert an. »Denkst du wirklich darüber nach, Maria
zu heiraten?«
    Der Hauptkommissar konnte sich den Hauch eines Grinsens nicht verkneifen.
»Wär doch cool, oder?«
    »Na ja«, relativierte sein junger Kollege. »Im Moment ist sie offiziell
ja noch bei Schoppen-Erich unter der Haube.«
     
    Die Fassade des roten Backsteinhauses wirkte im Widerschein der kreisenden
blauen Streifenwagenlichter wie die Inszenierung eines Künstlers, doch die Realität
hatte so gar nichts Künstlerisches zu bieten. Lenz versuchte, im Vorübergehen einen
Blick in die kleine Schneiderwerkstatt im Erdgeschoss zu werfen, doch seine Sicht
wurde durch die fast komplett geschlossenen Vertikaljalousien behindert. Vor der
Tür standen mehrere uniformierte Beamte, darunter eine Polizistin, Evelyn Brede,
mit der die beiden Kripoleute schon öfter zu tun gehabt hatten.
    »Hallo, Frau Brede«, begrüßte Lenz die Frau.
    »Morgen, Herr Kommissar«, erwiderte sie freundlich und bedachte auch
Thilo Hain mit einem aufmunternden Blick. Ihre Kollegen grüßten ebenfalls.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Hain.
    »Nach Lage der Dinge ist eine komplette türkische Familie betroffen.
Vater, Mutter und ein Kind. Ein Junge.«
    »Gibt es schon etwas zur Identität der Leute?«
    »Wie es aussieht ist es die Familie Bilgin, deren Name auf dem Klingelbrett
steht. Sie wohnen in der Tatwohnung und betreiben hier unten die Schneiderei. Die
Eltern sind anhand ihrer Reisepässe identifiziert worden, und von dem Jungen wimmelt
es angeblich oben nur so von Fotos.«
    »Hat sich schon jemand der anderen Bewohner des Hauses blicken lassen?«
    »Nur der Mann, der uns verständigt hat. Sonst habe ich noch niemanden
gesehen.«
    »Was ist das für einer?«
    »Ein türkischer Bäcker. War auf dem Weg zur Arbeit, als er die sich
ausbreitende Blutlache vor der Wohnungstür

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