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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Mitgefühl,
»dass alles Beten ihm und seiner Familie nicht den Arsch gerettet hat. Weil nämlich
irgendjemand einen Grund gehabt hat, diese Sauerei hier zu veranstalten.«
    Lenz reckte sich hoch und nickte. »Aber warum sollte …?« Er unterbrach
sich, weil in der Tür Dr. Peter Franz auftauchte, der Rechtsmediziner.
    »Morgen, die Herren«, grüßte er freundlich und stellte seine abgewetzte
Ledertasche neben sich auf den Boden. Kostkamp, der mit starrem Blick auf die glänzenden
Schuhe des Mediziners glotzte, verzog genervt das Gesicht. Doch noch bevor er etwas
sagen konnte, bemerkte der Mediziner seinen Lapsus und zog ein paar blaue Füßlinge
über die feinen Ledertreter.
    »Ihr Todeszeitpunkt liegt etwa drei Stunden zurück«, informierte der
Arzt die Polizisten, ohne auch nur eine Hand an die Toten gelegt zu haben.
    Lenz und Hain sahen sich irritiert an.
    »Wer hat Ihnen denn das gesteckt?«, wollte der Hauptkommissar erstaunt
wissen.
    »Die Leiche des Jungen im Flur. Den habe ich mir schon mal etwas näher
angesehen, weil es mir so schön vorkam, meiner Arbeit ohne jegliche Störung oder
Ablenkung nachzugehen. Und was Dummes gefragt hat mich da draußen auch niemand.«
    Lenz verstand den Hinweis ohne Nachfrage. Dr. Franz beschwerte sich
nämlich schon seit Jahren darüber, dass die Kripobeamten immer noch am Tatort alle
Details von ihm wissen wollten, die er in der Regel erst im Verlauf der Obduktion
herausfinden konnte.
    »Wenn ich mich nicht schwer täusche, sind alle Opfer ihren Schussverletzungen
erlegen. Aber ganz genau und wasserdicht kann ich Ihnen das alles sagen, wenn sie
bei mir auf dem Tisch waren.«
    Der Hauptkommissar war immer wieder erstaunt darüber, wie emotionslos
Dr. Franz über den Tod sprechen konnte.
    »Und bevor es hier noch zu einer Überfüllung kommt«, mischte Kostkamp
sich in Richtung Lenz und Hain gewandt ein, »verschwindet ihr beiden am besten.«
    Es ist nicht die Nacht, in der man Heini Kostkamp widersprechen sollte,
dachte Lenz und schob seinen Mitarbeiter vor sich her aus der Wohnung.
    »Meine Fresse, der hat ja eine Laune«, bemerkte der Oberkommissar im
Hausflur, während er sich der Füßlinge entledigte.
    »Er hat nicht mehr lange, bis er in Rente geht«, erwiderte Lenz. »Ich
hab neulich ein Bier mit ihm getrunken, dabei hat er mir erzählt, dass er einen
ganz schönen Bammel davor hat, nicht mehr jeden Tag zur Arbeit zu gehen. ›Das Einzige,
was nach meiner Pensionierung auf mich wartet, ist ein tiefes, schwarzes Loch‹,
hat er gesagt und klang wirklich nicht sehr optimistisch dabei.«
    Hain legte die Stirn in Falten. »Was für ein armer Hund. Hat er denn
wirklich keine Hobbys oder so was?«
    »Klar. Aber es ist etwas anderes, ein Hobby zu haben, als eine berufliche
Aufgabe. Er reist nicht gerne, ist eher ein Eigenbrötler, und mit seiner Frau läuft
es auch nicht so ganz astrein, glaube ich. Noch Fragen?«
    »Keine. Meinst du, er hat recht, dass die Geschichte da drin die Handschrift
eines militärisch ausgebildeten Killers aufweist?«
    »Was weiß ich? Wir haben eine türkische Familie, von der wir bisher
nicht die Bohne wissen. Es gibt tausend Gründe, warum so etwas passiert. Eifersucht,
Religion, Familie, Machogehabe. Und so weiter.« Der Hauptkommissar sah sich in dem
sauber und adrett wirkenden, aber verlassenen Treppenhaus um.
    »Wir brauchen ein paar Leute, die sich um die anderen Bewohner des
Hauses kümmern, Thilo«, erklärte Lenz seinem Mitarbeiter. »Auch wenn es hier so
aussieht, als sei eine Neutronenbombe hochgegangen, will ich trotzdem wissen, ob
nicht irgendjemand doch etwas mitbekommen hat.«
    Hain nickte. »Ich kümmere mich darum.«
    Sie hörten ein Geräusch aus dem Stockwerk unter ihnen. Ein Klacken,
als ob jemand leise eine Tür geöffnet hätte.
    »Hallo«, rief Hain und war auch schon auf dem Weg nach unten. Im diffusen
Licht konnte er gerade noch erkennen, dass die Tür der linken Wohnung langsam und
lautlos zugeschoben wurde.
    »Hallo«, rief er erneut, »bitte machen Sie die Tür auf. Wir sind von
der Polizei und haben nur ein paar kurze Fragen an Sie.«
    Keine Reaktion. Das Licht im Flur schaltete sich in diesem Augenblick
aus, und der Oberkommissar konnte deutlich den Schemen eines Menschen hinter den
Vorhängen der einfachen Türverglasung sehen. Es klackte laut im unteren Teil des
Hauses, als Hain den Lichtschalter betätigte. Danach klopfte er leise, aber bestimmt
an der Tür, hinter der vermutlich noch immer jemand

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