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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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nachgekommen,
wie es von ihr erwartet wurde. Die Gründe dafür würden im weiteren Verlauf des Tages
ganz sicher niemanden interessieren. Hektisch sah sich die Frau in dem hell gestrichenen
und doch in diesem Moment bedrohlich düsteren Krankenzimmer um. Sie musste sofort
den diensthabenden Arzt rufen, und sie würde ihm haarklein erläutern müssen, warum
sie den Tod des Patienten von Zimmer 213, der wahrscheinlich schon vor mehreren
Stunden eingetreten war, nicht mitbekommen hatte.
    Fieberhaft ging sie im Kopf die Liste der möglichen Ausreden durch,
doch keine erschien ihr auch nur halbwegs plausibel. Ihre Müdigkeit war mit einem
Schlag einer krampfartigen Anspannung gewichen, und langsam fingen ihre Augen an,
sich mit Feuchtigkeit zu füllen. Es gab kein Beschönigen, sie hatte eine Leiche
am Hals, die sie ganz und gar nicht gebrauchen konnte. Dann griff sie zum Telefon
in ihrer Kitteltasche und drückte ein paar Tasten.
     
    *
     
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, brüllte der Assistenzarzt, der sich
neben der Leiche von Gerold Schmitt aufgebaut hatte, und fassungslos auf den kräftigen
Mann hinabsah.
    »Haben Sie denn die ganze Nacht gepennt?«, schrie er die Frau an, die
am Fuß des Krankenbettes stand.
    »Nein …«, versuchte sie den Ansatz einer hilflosen Ausrede, die er
jedoch überhaupt nicht hören wollte.
    »Halten Sie den Mund«, fuhr er sie an. »Dass diese Scheiße hier für
uns beide einen Haufen Theater bedeutet, brauche ich Ihnen bestimmt nicht zu sagen.
Und für Sie ganz sicher mehr als für mich, darauf können Sie Gift nehmen! Bleiben
Sie hier und rühren Sie sich bloß nicht von der Stelle, bis ich zurück bin. Verstanden?«
    Sie nickte ergeben, und noch bevor der Arzt aus dem Zimmer war, liefen
ihr dicke Tränen über das Gesicht.
    Genau drei Minuten und 20 Sekunden später schoss der Assistenzarzt
mit dem für die Station verantwortlichen Oberarzt ins Zimmer. Der hatte es nicht
einmal geschafft, in seinen Kittel zu steigen, und trug das weiße Kleidungsstück
auf dem Arm. Beide keuchten.
    »Verschwinden Sie«, fauchte der Assistenzarzt Agata Roggisch an, »aber
bleiben Sie in der Nähe, für den Fall, dass es noch etwas zu klären gibt.«
    »Aber ich muss mich um meine beiden …«, wollte sie vorsichtig einwenden,
wurde jedoch wieder brüsk gestoppt, diesmal vom Oberarzt.
    »Sie müssen sich um nichts anderes kümmern als das, was ich Ihnen sage,
um absolut nichts anderes!«, schrie er sie an. »Zu niemandem ein Wort, und jetzt
raus hier.«
     
    Bevor die ersten Mitarbeiter der Frühschicht auf der Station eintrafen,
saß die Nachtschwester dem Oberarzt Dr. Walther Geyer gegenüber und hörte aufmerksam
seinen nun sehr sachlichen Worten zu.
    »Wir können es uns nicht leisten, wegen dieser Sache in die Schlagzeilen
zu geraten, Frau …«, er sah auf den Sticker an ihrem Revers, »Frau Roggisch. Deshalb
muss alles, was sich daraus ergibt, so dezent und diskret wie nur irgend möglich
ablaufen. Haben Sie das verstanden? Das ist kein Spaß, mit dem wir es hier zu tun
haben, sondern ein sehr schweres Dienstvergehen.«
    Agata Roggisch sah ihn hoffnungsvoll an. »Das heißt, dass …«
    »Das heißt«, fuhr er ihr erneut ins Wort, »dass Sie eine riesengroße
Scheiße angezettelt haben, die Dr. Witzel und ich jetzt irgendwie wieder ins Lot
bringen müssen. Wenn rauskommt, dass der Mann mindestens vier oder fünf Stunden
tot in seinem Bett gelegen hat, können Sie sich einen anderen Job suchen, wobei
das vermutlich noch Ihr kleinstes Problem sein dürfte.« Er verschwieg dabei großzügig
gegenüber der Schwester, dass dies in der gleichen Weise für ihn und den Assistenzarzt
Dr. Witzel zutraf. »Und das heißt weiterhin, dass wir ein paar Dinge tun müssen,
die in der letzten Konsequenz nicht illegal sind, aber eben auch nicht ganz legal.«
    Er sah sie eindringlich und mit forschendem Blick an, so, als wolle
er damit herausfinden, ob die Frau dieser Herausforderung gewachsen sein würde.
    »Sie können sich hundertprozentig auf mich verlassen, Herr Doktor«,
beschwor sie ihn. »Ich mache alles, was Sie mir sagen. Wirklich alles!«
    »Gut«, schien er fürs Erste beruhigt zu sein. »Dann erkläre ich Ihnen
jetzt, wie der ganz genaue Ablauf der Nacht gewesen ist. Und Sie prägen sich das
alles mit chirurgischer Präzision ein. Ich will keine Mätzchen erleben, ist das
klar?«
    »Ja, ganz klar«, erwiderte sie erleichtert.

11
     
    »Jetzt wird nicht mehr gekniffen«, legte Thilo Hain die

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