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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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wäre
er durchs Feuer gegangen. Das müssen Sie mir glauben.«
    »Es gibt noch mehr Geschwister?«
    »Ja, klar. Außer dem Kleinen noch drei Schwestern.«
    »Die alle in Kassel leben?«
    »Ich glaube, ja. Aber ganz genau kann ich es Ihnen nicht sagen, weil
Kemal und ich mehr mit uns selbst beschäftigt waren als mit seinen Familienproblemen.
Außerdem habe ich selbst eine Sippe am Haken, die alles andere als einfach ist.«
    »Haben Sie eine Idee, worum es bei dem Streit zwischen Kemal und seinem
Vater gestern Abend gegangen sein könnte?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Nein, überhaupt nicht. Ich wusste ja
nicht mal, dass er dorthin wollte. Er ist nämlich schon länger nicht mehr bei seiner
Familie gewesen.«
    »Wann zuletzt?«
    Sie dachte kurz nach. »Vor einem Monat, vielleicht etwas länger. Und
als er nach Hause kam, war er total sauer, weil sein Alter ihm mal wieder Vorhaltungen
gemacht hatte, wegen seines angeblich verlotterten und unislamischen Lebensstils.«
    »Kennen Sie die Familie?«
    »Nein, wo denken Sie hin? Sein Vater hätte mich bestimmt nicht mal
in die Wohnung gelassen. Ich bin …, ich war in seinen Augen nur eine gewöhnliche
Ungläubige. Sagt zumindest Kemal.«
    »Wie lange sind Sie schon mit ihm zusammen?«
    »Seit einem knappen Vierteljahr.«
    »Und leben schon hier unter einem Dach?«
    »Ja, das ging etwas schnell. Aber wir kommen ganz gut zurecht.«
    »Was arbeitet Ihr Freund?«
    »Er ist seit ein paar Wochen bei dieser Solarfirma in Sandershausen.
Aber er würde lieber als Schneider arbeiten; er ist nämlich Schneidermeister, wie
sein Vater.«
    »Aha«, machte Lenz. »Haben Sie ein Bild von ihm?«
    »Ja, klar. Was wollen Sie damit?«
    »Wie es im Augenblick aussieht, ist Ihr Freund der Hauptverdächtige
in einem Mordfall. Natürlich werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln
nach ihm fahnden. Und da ist es ganz hilfreich, ein Bild von ihm in der Hand zu
haben.«
    Sie fing wieder an zu schluchzen. »Aber er war das nicht, so glauben
Sie mir doch. Er hat die drei nicht umgebracht.«
    »Dazu wollen wir ihn am liebsten selbst befragen, und das klappt erfahrungsgemäß
am besten, wenn er uns gegenübersitzt«, mischte Hain sich ein. »Äußerst kontraproduktiv
dabei ist natürlich eine Flucht«, fügte er hinzu, »das sehen Ermittler gerne mal
als kleines Schuldeingeständnis an.«
    »A…«, wollte sie zu ihrem Lieblingswort ansetzen, doch ein strenger
Blick von Lenz ließ die Frau verstummen.
    »Wenn Sie so felsenfest davon überzeugt sind, dass er unschuldig ist,
helfen Sie ihm am ehesten, wenn Sie mit uns kooperieren«, erklärte der Hauptkommissar
der Frau.
    »Das bin ich wirklich.«
    »Also, wo könnte er dann stecken? Gibt es so was wie einen besten Freund
oder eine beste Freundin?«
    Sie überlegte ein paar Sekunden. »Ja, natürlich hat er Freunde. Aber
da fällt mir jetzt keiner ein, zu dem er gehen könnte. Vielleicht ist er bei einer
seiner Schwestern. Mit denen versteht er sich richtig gut.«
    »Mit allen?«
    Sie nickte. »Ja, mit allen.«
    »Kennen Sie seine Schwestern?«
    Wieder ein Nicken.
    »Ja, ich habe sie neulich kennengelernt. Sie waren zu viert in der
Kneipe, also er und seine Schwestern, und haben mich besucht; danach sind wir zusammen
noch um die Häuser gezogen.«
    »Die Frauen führen«, stutzte Lenz, »demnach also auch kein geordnetes
islamisches Leben, um auf Ihre Bemerkung von vorhin zurückzukommen?«
    »Nein. Der Alte von Kemal hat sie alle irgendwann mal rausgeworfen
und danach regelrecht verstoßen. Wir haben in der Nacht ein bisschen darüber geredet,
aber so viel weiß ich darüber auch nicht. Auf jeden Fall sind die Mädels in Ordnung.«
    »Sind die drei verheiratet?«
    »Nein. Und das war wohl auch einer der Gründe, warum der alte Bilgin
sich mit ihnen verkracht hat. Er wollte, dass sie sich einen netten Türken suchen,
oder noch besser, dass er ihnen einen aussucht, aber das wollten sie auf gar keinen
Fall. Die sind in Kassel geboren und aufgewachsen und haben immer hier gelebt. Außerdem
war ihr Vater früher ganz anders, sagt Kemal, und es war für die Familie echt schwer
auszuhalten, als er sich in den letzten Jahren so verändert hat.«
    »Gab es einen bestimmten Grund für seine Veränderung?«
    »Das weiß ich nicht, darüber wollte Kemal nicht sprechen.«
    »Haben Sie ihn denn danach gefragt?«
    »Ja«, nickte sie. »Aber wie gesagt, er wollte nicht darüber sprechen.«
    »Wissen Sie, wo die Schwestern leben?«
    Sie hob die

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