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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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hohen Haus und starrten auf die Abdrücke im Schnee.
    »Er hatte nicht mal Schuhe an«, bemerkte Lenz süffisant.
    »Ich weiß. Das macht die Niederlage für mich ja so besonders schlimm.«
Er zog die Schultern hoch. »Und ich hatte gehofft, dass du es nicht bemerken würdest.«
    »Wenn du noch mal in dieser Art an meiner Intelligenz zweifelst«, entgegnete
der Hauptkommissar, während er auf den Mazda zustrebte, »fahr ich auf der Stelle
ins Präsidium, hol meine Knarre, und knall dich wirklich ab.«
    »Welche Schwester besuchen wir zuerst?«, fragte Hain, ohne auf die
Morddrohung einzugehen, während er auf den Auslöser der Fernbedienung drückte und
sich in den kleinen Japaner zwängte.
     
    *
     
    Wie Lenz es befürchtet hatte, war in der gemeinsamen Wohnung von Kemal
Bilgin und Sonja Wennemeyer während ihrer ersten kurzen Inaugenscheinnahme nichts
gefunden worden, was auf eine Tatbeteiligung des Sohnes am Mord an seinen Eltern
und seinem Bruder hindeutete. Kurz nachdem die Besatzung eines Streifenwagens den
beiden in der Wohnung wartenden Kripobeamten den Durchsuchungsbeschluss gebracht
hatte, waren auch zwei Kollegen der Spurensicherung erschienen, die nun, während
die Kripobeamten auf dem Weg zu einer der Schwestern waren, die Wohnung gründlich
untersuchten.
    »Fangen wir mit der ältesten an«, schlug Lenz vor.
    Hain reichte ihm sein Mobiltelefon. »Es ist die letzte SMS. Such dir
eine aus, aber ich wette, dass die Kollegen das Alter der Frauen nicht mitgeliefert
haben.«
    Der Hauptkommissar kämpfte sich durch das Menü des Telefons und las.
    »Leider verloren, es gibt Geburtsdaten. Also nach Wilhelmshöhe, in
die Landgraf-Karl-Straße.«
    Etwas mehr als eine Viertelstunde später stellte Hain den Wagen im
Hof des gepflegt wirkenden Hauses ab, in dem nach Auskunft des Melderegisters der
Stadt Kassel die älteste der drei Bilgin-Schwestern, Sükren, wohnte.
    »Ja, bitte«, meldete sich eine verschlafen klingende, krächzende Stimme,
nachdem Hain geklingelt hatte.
    »Thilo Hain, Kriminalpolizei Kassel. Sind Sie Frau Bilgin?«
    »Polizei? Was ist denn passiert?«
    »Könnten Sie uns bitte hereinlassen?«
    Die Frage wurde von einem Rasseln beantwortet, das die schwere Holztür
freigab.
    »In den zweiten Stock, bitte«, tönte es hinter den Beamten her.
    Dort wurden sie von einer etwa 30-jährigen Frau in T-Shirt und Jogginghose
empfangen, die durch einen schmalen Spalt sah. Lenz und Hain hielten ihr ihre Dienstausweise
entgegen.
    »Was wollen Sie denn von Sükren?«, fragte sie nach einem kurzen Blick
auf die Dokumente schroff.
    »Sie sind nicht Frau Bilgin?«
    »Nein«, erwiderte sie genervt, »Frau Bilgin liegt im Bett und schläft.
Worum geht es denn?«
    »Dürfen wir hereinkommen?«
    Die Frau öffnete wortlos die Tür bis zum Anschlag, bat die ungebetenen
Besucher herein, und ging vor ihnen her in ein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer.
    »Also, worum geht es?«
    Lenz blickte sie freundlich an. »Dürften wir erfahren, mit wem wir
es zu tun haben?«
    »Dürfen Sie«, schnaubte sie. »Mein Name ist Ramona Berner, und ich
bin die Partnerin von Frau Bilgin.«
    »Aha«, machte Lenz.
    »Gut. Nachdem wir jetzt das Offizielle geklärt haben, möchte ich wirklich
gerne wissen, was die Polizei um diese Uhrzeit von uns will. Oder von Sükren.«
    »Es geht um die Eltern und den kleinen Bruder von Frau Bilgin. Der
Familie ist etwas zugestoßen.«
    Ihre Haltung veränderte sich schlagartig. Sie schluckte, holte tief
Luft, und schluckte erneut.
    »Warten Sie, ich hole Sükren.« Damit verzog sie sich und ließ die Beamten
allein.
    Es dauerte etwa eine Minute, dann wurde die Tür wieder geöffnet, durch
die Ramona Berner verschwunden war, und in ihrem Schlepptau erschien eine ausnehmend
hübsche, mandeläugige Frau etwa gleichen Alters, deren wohlgeformter Körper in einem
gelben Morgenmantel steckte.
    »Guten Morgen«, murmelte sie verschlafen. »Was ist denn mit meiner
Familie passiert?«
    Ihr Ausdruck wirkte nicht sehr interessiert, und Lenz fragte sich,
ob sie schon mehr wusste, als sie zugab, und sie vielleicht eine Show für die Beamten
abzog. Trotzdem stellte er sich und Hain kurz vor.
    »Es tut mir leid, Frau Bilgin«, fuhr er fort, »Ihnen mitteilen zu müssen,
dass Ihr Vater, Ihre Mutter und Ihr kleiner Bruder heute Nacht die Opfer eines Verbrechens
geworden sind.«
    »Wie, Verbrechen?«, fragte sie zurück. »Sind sie überfallen worden?
Bei denen gibt es doch gar nichts zu holen.«
    Nun atmete der

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