Rechtsdruck
Marschrichtung
für ihren Abgang aus dem Hochhaus fest und drängte seinen Chef in Richtung der Fahrstuhltür.
»Och nö«, sperrte sich der Hauptkommissar. »Ich …«
»Hör auf zu wimmern, du Jammerlappen. Vorhin hast du dich durchgesetzt,
jetzt bin ich dran. Also.« Er hielt die Tür zu der kleinen Kabine weit geöffnet
und machte eine einladende Handbewegung. »Du kannst mir nicht ständig erzählen,
dass du jetzt endlich damit anfangen willst, dich dieser Scheiße zu stellen, und
dann jedes Mal die Treppe nehmen.«
»Mensch, Thilo …«, startete Lenz einen letzten hoffnungslosen Versuch,
wurde jedoch sanft in Richtung der abgewetzten Edelstahltür geschoben.
»Los, beweg dich.«
Der Hauptkommissar betrat unsicher die Fahrstuhlkabine, machte ein
paar kurze Schritte bis zum gegenüberliegenden Ende, und sah die verkratzte und
mit Farbe besprühte Wand an.
Hain lehnte sich mit dem Rücken gegen das in Beckenhöhe angebrachte
Geländer und drückte auf den Knopf mit dem großen, hell hinterleuchteten E.
»Als Erstes sollten wir die drei Schwestern abklappern, was meinst
du?«
»Hmm.«
»Heißt das ja oder nein?«
Lenz schluckte. »Ja heißt das. Aber dazu brauchen wir die Adressen«,
erwiderte er leise.
»Ist was mit dir?«, feixte Hain. »Ich kann dich so schlecht verstehen.«
»Ich kotz mir gleich auf die Schuhe«, murmelte sein Kollege.
Den Rest der Fahrt in die Tiefe verbrachten sie schweigend. Dann hatte
die Kabine das Erdgeschoss erreicht und bremste ruckelnd ab.
»Was meinst du, wollen wir noch mal rauffahren?«, fragte Hain grinsend.
Lenz drehte sich um und funkelte ihn mit zusammengekniffenen Augen
an. »Klar, mach doch. Ist mir völlig egal.«
Damit wollte er sich aus dem engen Kasten verdrücken, doch sein Kollege
war schneller. Blitzartig hatte er den Finger auf den Knopf mit der 13 gelegt und
sich in der Mitte der Kabine breit gemacht. Keine Sekunde später setzte sich der
Lift wieder in Bewegung.
»Sei froh, dass ich keine Kanone dabei habe, sonst würde ich dich jetzt
abknallen«, kommentierte Lenz die Aktion.
»Ach was, das ist doch Quatsch, Paul. Wir fahren jetzt ein bisschen
hoch und runter und besprechen dabei, was wir eh besprechen müssen. Und gleichzeitig
verlierst du einen kleinen Teil von dieser echt blöden Panik in Fahrstühlen.«
»Das ist keine Panik. Ich mag es halt einfach nicht.«
Thilo Hain grinste ihn an. »Ja, ja, am Arsch hängt der Hammer.«
Lenz, der sich mit Abfahrt des Aufzuges wieder Richtung Wand gedrehte
hatte, wandte sich seinem Kollegen zu. »Und, was willst du mit mir besprechen?«
»Ich will von dir gelobt werden.«
»Wofür?«
»Dafür, dass mir das mit der Staatsbürgerschaft eingefallen ist.«
»Lob.«
»Dafür, dass ich Land und Leute informiert habe, weil er unter Umständen
versuchen wird, mithilfe seines türkischen Passes das Land zu verlassen.«
»Lob.«
Der Lift erreichte das dreizehnte Stockwerk und hielt an, woraufhin
Hain sofort wieder den Knopf mit dem E drückte.
»Und dafür«, fuhr er fort, »dass ich schon die Adressen der drei Tussis
habe.«
Lenz sah ihn erstaunt an. »Besonderes Lob.«
»Weiterhin auch noch dafür, dass ich dein bester Therapeut bin und
dich zu Expositionen animiere, die du viel besser aus eigenem Antrieb starten solltest.«
»Noch ein Lob, aber ein kleines.«
Wieder stoppte der Aufzug ruckelnd im Erdgeschoss. Hain drehte sich
um und drückte die Tür nach außen auf, doch Lenz bewegte sich keinen Millimeter.
»Was ist? Immer noch am Würgen?«, ätzte der junge Oberkommissar. Lenz
drückte in aller Seelenruhe mit dem ausgefahrenen Mittelfinger der linken Hand auf
die 13.
»Komm rein, wenn du mit willst. Kostet auch nichts extra«, gab er ebenso
ätzend zurück.
»Madonna, er ist geheilt«, frohlockte Hain und stieg zurück.
»Geheilt ist er noch nicht«, widersprach Lenz, »aber das Zittern hat
wenigstens ein bisschen nachgelassen.« Er schob seinen Kollegen zur Seite und stellte
sich in der Mitte der Kabine auf.
»Du hast jetzt dreieinhalb kleine Lobpunkte«, resümierte der Hauptkommissar.
»Aber die verlierst du alle gleich wieder, weil der gute Kemal dich leider abgehängt
hat wie einen Anfänger. Früher wäre dir das übrigens nicht passiert.«
»Und ganz früher wärst du vermutlich wenigstens mitgesprintet, auch
wenn es für dich sowieso nur um die goldene Ananas gegangen wäre.«
Vier weitere Fahrten in den 13. Stock und zurück später standen sie
vor dem für Kasseler Verhältnisse
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