Rechtsdruck
Schultern. »Sie wohnen, wie gesagt, wohl alle in Kassel,
aber wo genau kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
Hain, der seinen Notizblock in der Hand hielt und eifrig mitschrieb,
kniff die Augen zusammen, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen.
»Ist Kemal eigentlich türkischer Staatsbürger, oder Deutscher?«, wollte
er wissen.
Die Frau zögerte für einen Augenblick. Einen Augenblick zu lang, dachte
der Polizist.
»Er ist auf jeden Fall Deutscher. Das weiß ich, weil er einen deutschen
Pass hat, den habe ich gesehen.«
»Und«, fragte Hain herausfordernd.
»Was und?«
»Das ist nicht alles, was Sie uns dazu sagen könnten«, stellte er spitz
fest.
Sie zog die Schultern hoch. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Der Oberkommissar warf den Block vor sich auf den Tisch und stützte
den Kopf in die Hände. »Sie können mit uns zusammenarbeiten, Frau Wennemeyer, oder
Sie können es lassen. Wenn Sie es nicht tun, verschlimmern Sie die Situation für
Ihren Freund allerdings nur unnötig. Also, was wissen Sie, was Sie uns verheimlichen
wollen?«
Sie schluckte. »Ich will nicht, dass er Ärger kriegt deswegen.«
Hain lachte laut und polternd los. Ȁrger hat er jetzt schon jede Menge
am Hals, und solange wir ihn nicht gefunden haben und mit ihm reden können, wird
das vermutlich auch nicht besser. Also, hat Ihr Kemal sich, nachdem er Deutscher
geworden war, wieder die türkische Staatsbürgerschaft besorgt, wie so viele andere
auch?«
Die Frau schloss die Augen und schwieg.
»Frau Wennemeyer?«, bohrte Hain nach.
Nun nickte sie vorsichtig. »Ich glaube, ja. Aber ich will nicht, dass
er deswegen Ärger kriegt. Bitte!«
Hain verschwand mit dem Telefon in der Hand im Flur.
»Seit wann ist Herr Bilgin denn Deutscher?«
»Seit knapp vier Jahren, so hat er es mir jedenfalls erzählt.«
Der Kommissar nickte. »Und jetzt hätte ich gerne das Bild«, bat er
sie freundlich. »Und wenn es mehrere wären, hätte ich auch nichts dagegen.«
Sie stand auf, verließ die Küche, und kam kurze Zeit später mit einem
kleinen Schuhkarton in der Hand zurück. »Die meisten Fotos stecken leider im Computer«,
erklärte sie dem Polizisten und wählte ein paar Aufnahmen von sich und Kemal Bilgin
mit der freien Hand aus. Darauf war ein schlanker, junger Mann mit bronzefarbener
Haut zu sehen, dessen freundliches Lachen so gar nicht zu dem Verdacht passen wollte,
dem er gerade ausgesetzt war. Lenz wählte drei Fotos aus, steckte sie in seine Jackentasche
und bedankte sich.
»Wissen Sie, ob Herr Bilgin eine Waffe besitzt?«
Die junge Frau sah den Kommissar entgeistert an. »Ja, das weiß ich
zufällig ganz genau. Nämlich, dass er keine besitzt. Ich habe nämlich jeden Gegenstand
in der Hand gehabt, als er hier eingezogen ist. Wirklich jeden. Hier gibt es keine
Waffe, das schwöre ich.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich trotzdem ein wenig umsehe,
Frau Wennemeyer?«
Sie nickte, nun wieder trotzig. »Klar macht mir das was aus. Warum
sollte ich es zulassen, dass Sie in meinen Sachen rumschnüffeln?«
»Weil mein Kollege schon längst einen Durchsuchungsbeschluss beantragt
hat, und bei dieser Faktenlage kann ich mir nicht vorstellen, dass dem Gesuch nicht
entsprochen wird. Wir werden also auf jeden Fall Ihre gemeinsame Wohnung durchsuchen.«
»Gut. Aber dann müssen Sie eben warten, bis dieser Wisch hier vor mir
auf dem Tisch liegt.«
»Das mache ich«, gab Lenz zurück und betrachtete erneut die Fotos von
Kemal Bilgin, die er nicht in seine Tasche gesteckt hatte. Und er erinnerte sich
an eine Aussage von Heini Kostkamp, dem alten Spurensicherer.
»Hat Herr Bilgin Ihnen etwas davon erzählt, ob er seinen Wehrdienst
abgeleistet hat? Und was er gemacht hat, falls er beim Militär war?«
Wieder ließ sich die Frau ein paar Sekunden Zeit, ehe sie antwortete.
»Er war beim Militär, ja, aber in der Türkei. Das hat er mir mal erzählt. Und dass
es die schlimmste Zeit in seinem Leben gewesen ist, das hat er mir auch erzählt.«
»Wie lange musste er dort bleiben?«
»Keine Ahnung, davon hat er nichts erwähnt. Er hat nur gesagt, dass
er so eine Scheiße nie mehr in seinem Leben mitmachen will.«
»Und was genau hat er damit gemeint?«
Sie rollte mit den Augen. »Mein Gott, was weiß ich denn? Es scheint
ihm halt nicht so gut gefallen zu haben beim türkischen Militär, mehr weiß ich auch
nicht.«
»Wissen Sie, was er dort gemacht hat? Ich meine, ob er eine besondere
Ausbildung absolviert hat?«
»Darüber wollte
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