Rechtsdruck
aufgerissenen Augen,
die Arme fest um das Kleinkind vor ihrem Bauch geschlungen.
»Und nun Klartext«, schrie der Oberkommissar, während Lenz, der neben
ihn gesprungen war, den Mann abtastete. »Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Stemmler. Per Stemmler.«
*
Der Journalist winkte ab. »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich
mit Ihnen darüber rede, wann und warum ich die Familie Bilgin aufgesucht habe.«
Hain sah den groß gewachsenen Mann, der ihm in seinem Büro im Polizeipräsidium
gegenübersaß, mit zusammengekniffenen Augen an.
»Doch, das glaube ich, und zwar ganz und gar ernsthaft. Weil ich Sie
nämlich, sollten Sie sich weiterhin weigern, einbuchten lasse. Sie scheinen sich
irgendwie über Ihre Situation nicht so richtig im Klaren zu sein, Herr Stemmler.
Für uns sind Sie einer der Verdächtigen in einem ziemlich unappetitlichen Mordfall.«
Wieder winkte der Journalist ab. »Wenn Sie sich nur die Mühe machen
würden, mein Alibi zu überprüfen, wären wir einen großen Schritt weiter, Herr Kommissar.
Und je länger Sie sich weigern, das zu tun, um so unangenehmer wird die Situation
für Sie, wenn ich erst hier raus bin.«
Hain maß der unverhohlenen Drohung keine Bedeutung bei.
»Sie bestreiten also gar nicht«, mischte Lenz sich ein, der auf dem
Heizkörper am Fenster saß, »dass Sie bei den Bilgins gewesen sind?«
Nun kniff Stemmler genervt die Augen zusammen. »Hört mir hier eigentlich
irgendwer zu?« Er warf zuerst Lenz und danach Hain einen arroganten Blick zu. »Hallo?
Jemand zu Hause? Natürlich bestreite ich nicht, dass ich die Familie Bilgin besucht
habe. Nur wann das war, geht Sie rein gar nichts an. Und nach dem Warum brauchen
Sie gleich überhaupt nicht zu fragen, weil das unter den hoffentlich auch Ihnen
nicht unbekannten Begriff Informantenschutz fällt.«
Er streckte provokativ die Beine aus, griff in die Brusttasche seines
grünen Parkas und kramte eine Packung Tabak hervor. Mit spitzen Fingern drehte er
eine Zigarette, die er nach der Fertigstellung genüsslich hinter das linke Ohr steckte.
»Die rauche ich gleich, wenn mein Anwalt Sie und Ihren Kollegen gefaltet und eingetütet
hat.«
Lenz holte tief Luft, ging zum Schreibtisch und nahm einen Zettel und
einen Stift in die Hand.
»Sagen Sie mir noch mal kurz den Namen, die Adresse und die Telefonnummer
der Frau, mit der Sie die Nacht verbracht haben wollen, Herr Stemmler. Danach können
Sie Ihren Arsch hier rausbewegen und die Kippe hinter Ihrem Ohr in den Mund stecken
und rauchen. Von mir aus können Sie sich das Ding auch ganz woanders hinstecken,
es ist mir gleichgültig.«
Der Journalist nannte ihm die Daten.
»Danke«, erwiderte Lenz gequält. »Und jetzt raus hier. Und glauben
Sie nicht, dass die Geschichte damit für Sie erledigt ist, wir werden uns sicher
noch einmal mit Ihnen befassen.«
Stemmler erhob sich betont langsam und bewegte sich herausfordernd
im Stil eines Cowboys auf die Tür zu. »Ich kann es kaum erwarten, meine Herren.«
»Warum hast du ihn laufen lassen?«, wollte Hain ein wenig angesäuert
von seinem Chef wissen, nachdem der Journalist die Tür hinter sich ins Schloss gezogen
hatte und ein paar Sekunden verstrichen waren.
»Weil er zwar ein Monstrumsarschloch ist, aber kein Mörder. Der ist
aalglatt und smart und bestimmt hinter einer Superstory her, aber warum sollte er
die Bilgins umgebracht haben? Außerdem glaube ich ihm aufs Wort, dass er gestern
Abend diese Tussi aufgerissen hat, so wie der aussieht.«
»Du hättest ihn wenigstens fragen können, ob er etwas über die Konten
und das Geld weiß.«
Lenz schüttelte den Kopf. »Denk doch mal nach, Thilo. Vielleicht ist
es genau das, was er noch nicht weiß, und er war deswegen bei den Bilgins. Wir fragen
ihn danach, und schwuppdiwupp liefern wir ihm damit den fehlenden Mosaikstein für
seine Story.«
Hains Gesicht hellte sich auf. »Oh Mann, da bin ich aber froh, dass
ich mein Maul gehalten hab. Es lag mir nämlich ganz weit vorne auf der Zunge, ihn
danach zu fragen.«
»Na, dann haben …«, wollte Lenz antworten, wurde jedoch vom Klingeln
seines Mobiltelefons unterbrochen.
»Ja, Lenz«, meldete er sich.
»Pia Ritter«, hörte er die Stimme einer Frau, »guten Morgen, Herr Kommissar.«
Lenz brauchte einen Augenblick, bis er sich daran erinnert hatte, dass
Pia Ritter eine Beamtin der Schutzpolizei war.
»Hallo, guten Morgen, Frau Ritter. Was gibt’s denn?«
»Sie fahnden doch nach einem Kemal Bilgin?«
»Ja, korrekt.
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