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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Haben Sie ihn?«
    »So könnte man es nennen. Er ist im Klinikum gelandet, vermutlich wird
er gerade operiert. Wie es aussieht, ist seine Flucht zu Ende.«
    »Was genau ist passiert?«
    »Sein Fahrzeug war zwei Kollegen in der Nähe des großen Kreisels aufgefallen.
Bei der anschließenden Verfolgung gab es in der Nähe der Autobahnraststätte einen
ziemlichen üblen Unfall, bei dem vermutlich ein Unbeteiligter zu Tode gekommen ist,
ein LKW-Fahrer. Wegen der genauen Umstände muss ich mich aber selbst erst noch schlau
machen.«
    »Vielen Dank, Frau Ritter. Bilgin ist am Leben, sagen Sie?«
    »Noch, ja. Die Kollegen, die vor Ort waren, sagen, dass er zwar verdammt
viel Glück gehabt hat, aber dass er überleben wird, halten sie für unwahrscheinlich.«
    »Scheiße«, murmelte Lenz, entschuldigte sich jedoch sofort bei der
Frau für seine Wortwahl.
    »Macht nichts, Herr Kommissar. Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
    »Nein, danke, Frau Ritter. Sie sagen, er ist ins Klinikum gebracht
worden?«
    »Genau, in die Unfallambulanz.«
    Lenz dankte der Frau noch einmal und beendete das Gespräch. Hain wollte
zu seiner Jacke greifen, doch nun wurde er vom Klingeln des Telefons auf seinem
Schreibtisch gestört. Der Anrufer war Uwe Wagner.
    »Die A7 ist in beiden Richtungen voll gesperrt, weil euer türkischer
Verdächtiger mit seinem Auto von der Brücke auf einen LKW gestürzt ist«, begann
er ohne große Begrüßung.
    »Paul hat es soeben von der Schutzpolizei erfahren«, bestätigte der
Oberkommissar. »Weißt du Genaueres?«
    »Michi Berger von den Autobahnjungs hat mich gerade angerufen. Da oben
sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, sagt er.«
    Dann kam eine kurze, aber präzise Schilderung, wie sich der Unfall
abgespielt hatte. »Der Fahrer des LKW war sofort tot; euer Türke lebt noch, aber
nicht mehr allzu viel und allzu lange. Michi sagt, dass er noch nie einen Laster
gesehen hat, dessen Führerhaus so kaputt gewesen sei, und das soll schon was heißen
bei den vielen Dienstjahren, die er auf dem Buckel hat. Es gab noch ein paar Leichtverletzte
in den Autos, die in den querstehenden LKW geknallt sind, aber nichts Schlimmes
dabei. Da ist der Sachschaden das Gravierendste.«
    »Der Türke ist im Klinikum gelandet?«
    »Ja, klar«, erwiderte Wagner gehetzt, »aber ich muss jetzt Schluss
machen, auf der anderen Leitung wartet ein Anruf.«
    »Du willst nicht mit Paul sprechen?«
    »Nein, jetzt nicht. Mach’s gut.«
    Damit war das Telefonat beendet. Hain griff zu seiner Jacke.
    »Jetzt wissen wir es aber ganz genau«, murmelte er im Gehen seinem
Chef zu.

17
     
    Ewald Limbourg trat ans Fenster seines Büros, öffnete es einen Spalt,
atmete die kalte, würzige Winterluft ein und wieder aus, schloss das Fenster, setzte
sich zurück an seinen Schreibtisch, atmete erneut tief ein und schlug dann völlig
unvermittelt und so fest mit der linken Faust auf die Pressspanplatte mit der Buchenfolierung,
dass die Kaffeetasse, die darauf stand, im hohen Bogen zu Boden segelte und dort
zerschellte.
    »Verdammter Mist«, hörte er sich murmeln, sprang um den Tisch herum
und sammelte die Überreste auf.
    Verdammter Mist.
    Seit mehr als zwei Wochen beschäftigte den jungen Staatsanwalt der
Fall seines Parteifreundes Justus Gebauer, oder, besser gesagt, das unerlaubte Entfernen
vom Unfallort, dessen sich Gebauer ohne Frage schuldig gemacht hatte. Limbourgs
Blick streifte zum wiederholten Mal jene Akte, die er, seit er sie zum ersten Mal
in die Hände bekommen hatte, von einer Schreibtischseite auf die andere und wieder
zurückschob.
    Dieser verdammte Zeuge.
    Ohne diesen Zeugen wäre die Sache ganz einfach. Aber ohne diesen Zeugen
wäre die Fahrerflucht auch nie und nimmer auf seinem Schreibtisch gelandet. Gebauer
hatte den Toyota dieser alleinerziehenden Mutter beim Ausparken gerammt, das war
nicht wegzudiskutieren. Er war aus seiner S-Klasse ausgestiegen, hatte sich den
Schaden angesehen, war wieder eingestiegen und weggefahren. Und dabei hatte der
Vollidiot sich auch noch von dem Zeugen beobachten lassen. Gebauer war dran, da
gab es einfach nichts mehr zu verschleiern oder zu erledigen. Ohne den Zeugen hätte
die Frau niemals auf dem Lacktest bestanden, schon alleine wegen der Kosten. Aber
so?
    Wieder kreisten die Gedanken des jungen Juristen, um vielleicht doch
noch irgendeine wie auch immer geartete Lösung aus dem Ärmel zu zaubern, aber es
gab einfach keine. Es gab keine andere Lösung als die Anklageerhebung und den

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